Ad absurdum geführt
Von Volker Hermsdorf
Die Vergabe des Friedensnobelpreises 2025 an María Corina Machado wirft die Frage auf, welches Verständnis man in Oslo von der Auszeichnung hat. Statt Friedensstifter zu ehren, zeichnet das Komitee eine Person aus, die für eine ausländische Militärintervention in ihrem eigenen Land wirbt. Die Begründung, Machado sei eine »Schlüsselfigur« für die Einigung der Opposition und setze sich für Demokratie ein, wirkt vor dem Hintergrund der Fakten geradezu zynisch. Wenn das Demokratieverständnis einer Aktivistin prämiert wird, die sich auch in Europa für die Ziele der äußersten Rechten einsetzt, wird der Sinn des Preises definitiv ad absurdum geführt.
Im Februar dankte Machado in Madrid beim »Make Europe Great Again«-Gipfel der ultrarechten EU-Fraktion »Patrioten für Europa« dafür, dass die dort vereinten Parteien sich »an vorderster Front für die Freiheit des venezolanischen Volkes« einsetzten. Den Venezolanern ist allerdings zu wünschen, dass sie von der Art »Freiheit«, wie sie die Machado-Unterstützer Victor Orbán, Marine Le Pen oder Geert Wilders meinen, verschont bleibt.
Welchen »Frieden« stiftet eine Preisträgerin, die sich mit politischen Kräften solidarisiert, die in den USA und Europa Hass säen, Minderheiten stigmatisieren und demokratische Institutionen systematisch untergraben? Die »zivilisatorische Schlacht«, zu der Machados rechte europäische Verbündete in Madrid aufriefen, ist das genaue Gegenteil friedlicher Visionen. Es ist die Sprache der Aufstachelung zum Hass. Und welchen Frieden stiftet eine rechte Galionsfigur, die den US-Aufmarsch in der Karibik – inklusive tödlicher Angriffe auf Schiffe und deren zivile Besatzung – ausdrücklich begrüßt und als Zeichen des nahenden Zusammenbruchs des Maduro-Regimes feiert? Hier wird nicht Friedensarbeit, sondern Konfrontation belohnt.
Die Preisvergabe ist nicht nur eine Parteinahme zugunsten der Attacken durch US-Militärs, sondern auch ein gefährliches Signal. Sie sendet die Botschaft, dass Aufruf und Vorbereitung zum gewaltsamen Regimewechsel nicht nur politische Mittel, sondern sogar nobelpreiswürdig sind. Der Preis für Machado untergräbt jegliche Bemühungen um diplomatische Lösungen und feuert die Hardliner in der Trump-Administration an, die auf Invasion und Krieg setzen.
Die Entscheidung ist um so befremdlicher, wenn man die Alternativen bedenkt. Statt Menschen oder Personen zu ehren, die unter Lebensgefahr humanitäre Hilfe für zivile Opfer im Gaza leisten, oder das Komitee zum Schutz dortiger Journalisten, fiel die Wahl auf eine Figur, die Positionen vertritt, die von einem Großteil der venezolanischen Bevölkerung abgelehnt werden. Vom ursprünglichen Anspruch, den Preis denen zu verleihen, die »der Verbrüderung der Völker« dienen, ist damit nichts mehr übrig. Die diesjährige Vergabe ist eine Auszeichnung für Kriegsvorbereitung, nicht für Frieden.
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Leserbrief von Rayan aus Unterschleißheim (12. Oktober 2025 um 17:41 Uhr)Nix ad absurdum: Erbschaftsstifter Alfred Nobel – Großkapitalist (Besitzer von 90 Dynamitfabriken), Chauvinist, Rassist und Antisemit – missbrauchte sein erbeutetes Vermögen, um mittels der sgn. Nobel-Preise sein sehr korrektes Image zu Lebzeiten als indirekter Massenmörder posthum zu verwischen. Die Leute, die über die Vergabe entscheiden – und sicherlich auch alle Preisträger – wissen das natürlich sehr genau. Vor diesem Hintergrund gilt dann pseudoparadox, dass quasi jede:r, der:die diesen »Friedenspreis« annimmt, eine echte Friedensehrung nicht verdient hat.
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Leserbrief von E.Rasmus aus Berlin (13. Oktober 2025 um 16:42 Uhr)Gut, daß Sie im Präsens schreiben, jeder, der die Friedensehrung annehme, habe sie nicht verdient. Das war ursächlich mal anders. Ich würde doch etwas relativiert herangehen wollen wie Diaz-Canel, der offensichtlich das Wesen der Historie ansprechend, die Entschleierung mit der parasitären Entwicklung, auf X äußert: »Es ist beschämend, dass dieser Preis im Jahr 2025 an jemanden verliehen wurde, der zur militärischen Intervention in seinem Heimatland aufruft, und in den letzten Jahren an Straßenproteste, bei denen Menschen bei lebendigem Leib verbrannt wurden«, ... Die Politisierung, Voreingenommenheit und Diskreditierung des Norwegischen Nobelkomitees hat ein noch nie dagewesenes Ausmaß erreicht.» Im «Weltexpress» vom Wochenende heißt es weiter dazu in einem Kommentar von mir: «Das mag sein. Imperialismus aber ist, ja, universell in allen Lebensbereichen wirksam und das vor allem in Demagogie mit Käuflichkeit, um sein Parasitentum fäulnishaft pandemisch bei Strafe seines Untergangs zu durchseuchen. Die Geschichte zeigt, wie der Opportunismus, als ein wesenseigenes Symptom, eben alles zu Grunde richtend, bemüht wird. So hat gar die Vergabe des Friedensnobelpreises von 1905 an Bertha von Suttner für ihr Lebenswerk, unter anderem auch mit dem Roman »Die Waffen nieder«, um 180 Grad nichts gemein mit der Verleihung an Barack Obama 2009 wie auch an die EU 2012.» Pardon. Den Fachbereich Literatur betreffend, denke ich auch an Pablo Neruda, der den Preis 1971 erhielt oder an Albert Einstein, dem der Preis 1922 für Physik verliehen worden war; er hielt übrigens auch Vorträge für die KPD Ende der zwanziger Jahre. Pointiert schließ ich mit den Worten aus einem Vers von 2009 zur «Nobelpreisvergabe 2009 / Alfred Nobel! /Dein »Dynamit« ist immer noch / In falschen Händen.»
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Franz S. (14. Oktober 2025 um 12:42 Uhr)Bei dem von Ihnen erwähnten »Weltexpress« habe ich ein paar Stichproben gemacht. Das Ergebnis ist erschreckend. Seltsames Gebräu: Neben (zur Tarnung) pseudolinken Phrasen jede Menge rechter Parolen: So sind die Artikel überschrieben: »Umvolkung der BRD – Vertreter fremder Völker werden von dort in die BRD eingeflogen, wo diese angeblich vor Jahren jahrelang verteidigt wurde«; »Wer wählt noch Umvolker und Bellizisten von CDU, CSU, SPD, B90G und L?«; »Ausländerpartei SPD oder Eine Partei der Umvolker und Bellizisten immer noch über zehn Prozent«; »Noch steht die Phalanx der Umvolker im Berliner Reichstag gegen das Zustrombegrenzungsgesetz – Die forcierte Umvolkung der BRD wird fortgesetzt«; »Mehrheit nach wie vor für die Umvolkung des Vasallenstaates BRD«; In einem Artikel wird beklagt, dass Deutschland ein »Vielvölkerstaat« sei, »der nicht erst seit Jahren umgevolkt wird, sondern seit Jahrzehnten, zudem ein Apartheidstaat und Kriegsstaat, ein ›gäriger Haufen‹ sei, wie es einer der Gründer und der Ehrenvorsitzende Alexander Gauland (erst CDU, dann AfD) formuliert.« Fühlen Sie sich wohl in dieser Umgebung?
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Oliver S. aus Hundsbach (11. Oktober 2025 um 15:56 Uhr)Dass bei solchen »Friedens«-Preisen der Apfel nicht weit vom Baum fällt, hat schon die letztjährige Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels – buchstäblich – gezeigt. Diese Preise sind nur das Geld wert, das die oder der Ausgezeichnete sich in die ohnehin schon übervollen Taschen stecken kann. Auch dass Frau Machado ihre Auszeichnung sogleich Donald Trump widmete, »weil er sie wirklich verdient habe«, ist nicht mal eine Randnotiz wert, geschweige denn eine Empörung. Ich besuchte während meiner Kindheit etliche Jekami-Abende. Zumindest hatten diese Veranstaltungen die Würde, dass man nicht wusste, wem das Publikum geneigt war und wer gewinnen würde. Die Argumentation von Volker Hermsdorf ist völlig richtig und trotzdem grundfalsch. Sie suggeriert, dass die bürgerliche Gesellschaft zusammen mit ihren Preisen und Auszeichnungen etwas anderes in ihrem Kern tragen könnte als die Verwertung des Werts, um jeden Preis aufrechterhalten zu wollen. Erschreckend ist nur, mit welcher Geschwindigkeit die letzten Reste ihrer geistig-moralischen Fassade ohne öffentlichen Widerspruch beseitigt werden können. Dieser vergebene Preis ist keinesfalls »nobel«, sondern nur ein weiteres Stück übelkeitserregende Propaganda und Demagogie, welche die Bestialität und Verkommenheit des mittlerweile offen zur Schau gestellten Imperialismus deutlich machen.
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