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Aus: Ausgabe vom 11.10.2025, Seite 3 / Schwerpunkt
Antiimperialismus

Venezuela organisiert sich

Caracas setzt im ungleichen Krieg mit Washington auf das Konzept einer ganzheitlichen Verteidigung
Von Julieta Daza, Caracas
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Ob jung, ob alt, wir sind bereit: Parade in Caracas (3.9.2025)

Seit Ende August hat Washington seine aggressive Militärpräsenz in der Karibik, die es als Teil seines »Hinterhofes« betrachtet, verstärkt. Mehrere Kriegsschiffe und sogar ein Atom-U-Boot wurden in Bewegung gesetzt. Zudem hat die US-Regierung Kampfjets nach Puerto Rico verlegt, in ein sogenanntes US-Außengebiet. Dramatische Bilanz dieses Militäreinsatzes sind laut US-Angaben bisher mehrere zerstörte Boote und mehr als 20 Getötete. Diese waren angeblich Drogenschmuggler. Beweise werden dafür jedoch nicht vorgelegt.

Der US-Militäraufmarsch bedeutet eine direkte Bedrohung Venezuelas. Nicht nur, weil er nahe den venezolanischen Hoheitsgewässern stattfindet, sondern vor allem wegen der US-Rhetorik, die ihn begleitet. Demnach sei das Ziel, den Drogentransport von Venezuela in die USA zu stoppen. Der Schmuggel werde von den Kartellen »Tren de Aragua« und »Cartel de los Soles« angeführt, dessen Boss der venezolanische Präsident Nicolás Maduro sei. Ein bereits auf ihn ausgesetztes Kopfgeld hat Washington im August auf 50 Millionen US-Dollar erhöht. Da das südamerikanische Land jedoch laut UN-Büro für Drogen- und Verbrechensbekämpfung (UNODC) gar kein Produzent von Kokablättern oder Kokain ist, ist offensichtlich, dass das habgierige Interesse der US-Regierung an den sehr reichen natürlichen Ressourcen Venezuelas, vor allem Erdöl, die eigentliche Motivation ist.

Auch die 1999 begonnene und damals von Hugo Chávez angeführte linke »Bolivarische Revolution« Venezuelas missfällt dem Weißen Haus. Chávez’ früher Tod durch eine sehr seltene Krebserkrankung gilt für viele seiner Anhänger als verdächtig. Mehrere Recherchen deuten darauf hin, dass ihm über einen längeren Zeitraum krankheitserregendes Zellmaterial eingepflanzt worden sein könnte. Zu Lebzeiten sind rund 26 dokumentierte Attentate gegen Chávez verübt worden.

Angesichts der aktuellen US-Militärbedrohung Venezuelas, die nur das neueste Kapitel in einer ganzen Reihe von Aggressionen ist, unter anderem einer imperialistischen Wirtschaftsblockade mit rund 1.000 Sanktionen, hat die bolivarische Regierung die Streitkräfte landesweit, vor allem an der Küste und den Staatsgrenzen, aktiviert. Auch die Miliz, eine zivile Hilfseinheit der Streitkräfte, wurde zur Mobilisierung aufgerufen. Ihr haben sich nach Angaben der Regierung in den vergangenen Monaten Millionen Venezolaner angeschlossen.

Doch wie der 2020 ermordete venezolanische Professor und Aktivist Carlos Lanz immer mahnte, ist ein konventioneller Krieg der USA gegen Venezuela gar nicht das wahrscheinlichste Szenario. Schließlich führen die USA schon seit langem Krieg gegen die Bolivarische Republik mit unkonventionellen Methoden, indem sie Unmut über mangelhafte öffentliche Dienstleistungen, die Lebensmittel- und Medikamentenversorgung sowie die Inflation schüren und auf die psychische und moralische Erschöpfung der Bevölkerung setzen. Soziale Konflikte und Unregierbarkeit werden gefördert, in die Streitkräfte wird Zwist getragen. Die Antwort darauf ist das Konzept einer »ganzheitlichen Verteidigung« von Bevölkerung und Armee, für das Lanz die sogenannte Taktische Methode des Revolutionären Widerstands (spanisches Akronym MTRR) entwarf.

Dabei spielen die sogenannten Kommunen, in denen sich die Gemeinden organisieren und Volksmacht aufbauen und ausüben, eine zentrale Rolle. Sie dienen auch dem Schutze und der Verteidigung des Territoriums und der dort lebenden Bevölkerung vor einer Aggression und dürften eine der wichtigsten Entwicklungen der Bolivarischen Revolution darstellen.

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  • Leserbrief von Martin Mair aus Söchau (14. Oktober 2025 um 14:16 Uhr)
    Zu einer umfassenden Verteidigung gehört auch, das autoritäre und korrupte Maduro-Regime von unten her auszutauschen. Wenn bei der Präsidentenwahl nur noch ein Drittel der abgegebenen Stimmen auf Maduro entfiel, weshalb die Wahlkommission dann erst gar keine Detailergebnisse bekannt gab, dann fängt der Fisch beim Kopf zu stinken an bzw. haben offenbar auch viele Menschen in den Basisorganisationen Maduro die Unterstützung verweigert. Dass eine rechte Fanatikerin – die Enteignung des Vaters mag die Rachegelüste menschlich erklären – als »des Volkes Stimme« sich darstellen kann, ist wohl eine Bankrotterklärung der einstmals so hoffnungsvollen Revolution. Bestehende Probleme zu leugnen, macht die Situation nur noch verfahrener und eine gewaltsame Auseinandersetzung wahrscheinlicher, mit der das mittlerweile illegitime Maduro-Regime in eine offene Diktatur kippen würde. Wie andere ins autoritäre gekippte Revolutionen nach mehr oder weniger langen Siechtum geendet sind, sollte mittlerweile bekannt sein. Auch auf amerika 21 ist einiges an Kritik an der autoritären Wende in Venezuela nachzulesen: https://amerika21.de/analyse/276101/kritik-maduro-venezuela-unsozial-autorit
    • Leserbrief von Onlineabonnent/in Franz S. (15. Oktober 2025 um 12:15 Uhr)
      »Zu einer umfassenden Verteidigung gehört auch, das autoritäre und korrupte Manduro-Regime von unten her auszutauschen.« Regime Change empfiehlt also der angeblich gut informierte Leser. Wird das Volk Venezuelas den Rat befolgen? Und damit es auch jeder begreift, wird »autoritär« gleich dreimal untergebracht. Der von Ihnen empfohlene Artikel auf amerika21 ist doch arg oberflächlich und vereinfachend. Wesentlich differenzierter Steve Ellner in einer Antwort auf Gabriel Hetland: https://links.org.au/neoliberal-and-authoritarian-simplistic-analysis-maduro-government-leaves-much-unsaid
  • Leserbrief von Frank Lukaszewski aus Oberhausen (13. Oktober 2025 um 14:41 Uhr)
    Die Bolivarische Republik Venezuela, also Volk und Regierung, sollten sich tatsächlich auf eine direkte oder indirekte Invasion US-amerikanischer Soldaten beziehungsweise Interessen einstellen. Es geht primär wieder einmal um Öl sowie die Zerstörung einer dem Imperium unpassenden Gesellschaftsordnung. Jene Apologetin beider Optionen, María Corina Machado, wurde in diesem Kontext nunmehr »zufällig« von einem neoliberal geprägten, vor allem US-geneigtem Komitee mit dem Friedens-, nicht alleine in ihrem Fall tatsächlichen Kriegsnobelpreis geehrt. Ganz offen trat diese Marktradikale bereits 2002 auf seiten der Putschisten gegen den damaligen, gewählten, sozialistischen Präsidenten Hugo Chavez Frias auf, suchte öffentlich Unterstützung bei Georg W. Bush und widmete nunmehr ihren Preis Donald Duck, ähm, Trump. Unverhohlen tritt sie für eine (militärische) Intervention der USA in Venezuela ein, um die reichhaltigen Ölvorkommen wieder in private, möglichst washingtonnahe Hand zu überführen. Davon ist in der bürgerlichen Presse nicht alleine hierzulande eher wenig, also eigentlich gar nichts zu lesen.

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