Mission Titel
Von René Hamann
Der Tischtenniskalender ist voll, und er wird immer voller. Neben der Bundesliga, die durch den Zukauf des chinesischen Superstars Fan Zhendong erheblich an Attraktivität gewonnen hat, und den immer praller werdenden Turnieren der WTT-Serie (World Table Tennis) wird es demnächst ein erstes Teamturnier nach dem neuen Olympiamodus geben: Männer und Frauen bilden ein Team, inklusive Mixed, so wie es für Los Angeles 2028 geplant ist. Im chinesischen Chengdu wird beim Mixed-World-Cup vom 30. November an mit 16 Teams der erste Probelauf für dieses neue Format stattfinden.
Und dann gibt es noch die regulären Wettbewerbe des Weltverbands ITTF sowie der europäischen Abteilung, dem ETTU. Der richtet ab Sonntag im sonnigen Zadar an der kroatischen Adriaküste die Europameisterschaft (EM) der Teams (in gewohnter Geschlechtertrennung) aus, also das Turnier, das seit einiger Zeit im Wechsel mit den Einzelwettbewerben stattfindet, so dass es in jedem Jahr eine EM gibt und nicht alle zwei (oder gar alle vier wie im Fußball). Wie dem auch sei, zur EM reisen alle an, und sie tun es offensichtlich gerne. Besonders gerne tun es die Deutschen, denn sie schneiden traditionell gut ab bei diesem Turnier.
Ob das auch diesmal so sein wird? Die Frauen zeigen sich jedenfalls gut vorbereitet. Der DTTB kann es sich sogar leisten, Nina Mittelham mitzunehmen; die ehemalige Vizeeuropameisterin im Einzel laborierte lange an Rückenproblemen und wird allmählich wieder an die Spitze herangeführt. Beim China Smash in Beijing schaffte sie es, eine Runde länger im Wettbewerb zu bleiben als die amtierende deutsche Meisterin Annett Kaufmann.
Auf internationalem Parkett läuft Kaufmann bei den Seniorinnen noch ein bisschen hinterher – sich oben zu etablieren ist schwierig. Yuan Wan und Sabine Winter, die informelle Nummer eins, die diesmal auch das Team anführen darf, haben da leichteres Spiel, weil sie eh schon höher gesetzt sind. Winter, im Erfurter Finale um die deutsche Meisterschaft Kaufmann noch recht deutlich unterlegen, schaffte es mit ihrem neuen Antibelag schon, die eine oder andere Top-20-Kraft mächtig zu ärgern; neulich schlug sie sogar die Weltranglistendritte Chen Xingtong. Komplettiert wird das Team von der jungen Mia Griesel, während Ying Han zu Hause bleibt.
Alles in allem sieht es gut aus, was die Mission Titelverteidigung betrifft: Alle sind gut in Form und sowieso gut drauf. Einen Durchmarsch hinzulegen wie bei der letzten EM, wo die DTTB-Frauen das gesamte Turnier hindurch nicht ein Spiel abgaben, wird ihnen trotzdem so leicht nicht wieder gelingen: Besonders die Rumäninnen um Bernadette Szőcs werden ein Wort mitzureden wissen, was den Titelkampf betrifft. Auch Frankreich mit Prithika Pavade und den Schwestern Lutz gehört zum Favoritinnenkreis.
Bei den Männern ist die Gesamtlage anders gestrickt. Hier geht es nicht um Titelverteidigung; der neunmalige Europameister wurde im Finale 2023 von den Schweden geschlagen. Und trotz der Meriten der Vergangenheit ist das DTTB-Team, nachdem Timo Boll den Schläger eingemottet hat, eine Großbaustelle. Benedikt Duda, neuer Teamkapitän, konnte sich kontinuierlich steigern, musste aber auch Rückschläge kassieren. Patrick Franziska und Exeinzeleuropameister Dang Qiu hadern gerne mit sich und ihrer Form. Und Dimitrij Ovtcharov segelt inzwischen so sehr in die Abendsonne einer künftigen Pension, dass er diesmal gar nicht erst aufgestellt wurde, obwohl das offizielle Wording des DTTB, wie man es von diesem kennt, natürlich anders lautet: Ihm wird eine »Wettkampfpause« gegönnt. Komplettiert wird das Team durch den wiedererstarkten Ricardo Walther und Jungspund Andre Bertelsmeier.
Los geht es zum Abschluss des ersten Turniertags am Sonntag abend gegen die Ukraine. Vom Papier her sollte die Vorrunde – zweiter Gegner ist Serbien, auch bei den Frauen Gruppengegner, wie dort Slowenien – kein großes Problem darstellen. Interessanter wird es ab dem Achtelfinale.
Besonders Frankreich und Schweden, vielleicht auch Belgien und Dänemark, sind insgesamt inzwischen besser aufgestellt als das Team des DTTB. Wir sagen nur: Lebrun-Brüder, Simon Gauzy, Anton Källberg und Truls Möregårdh. Oder auch Lind und Groth. Alle aufstrebend, alle mit kleinen wie großen Erfolgen im Jahr 2025. Aber ja, die Deutschen sind traditionell eine Turniernation; man darf also gespannt sein.
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