Silvesterparty mit Steuergeld
Von Kristian Stemmler
Seit 15 Jahren veranstaltet das ZDF vor dem Brandenburger Tor in Berlin eine Silvesterparty mit Auftritten diverser Künstler, die der Sender live überträgt. Diese Tradition findet in diesem Jahr ein abruptes Ende: Die Show mit den Moderatoren Johannes B. Kerner und der für ihre verbalen Fehltritte bekannten Andrea Kiewel findet erstmals in Hamburg statt, auf einer schwimmenden Bühne in der Hafencity. Der Grund für den Umzug ist profan. Der Berliner Senat strich die Zuschüsse für die Sause, Hamburg sprang ein. Das sorgt jetzt für Kritik der Linksfraktion in der Hamburgischen Bürgerschaft.
Ende September kündigte das ZDF den Umzug in einer Pressemitteilung an, allerdings ohne den finanziellen Hintergrund zu erwähnen. Statt dessen schwelgte man in Superlativen: »Millionen Zuschauerinnen und Zuschauer vor den Bildschirmen und Tausende Gäste vor Ort dürfen sich auf ein einzigartiges Spektakel freuen«, hieß es da. Hamburg werde »zur Bühne der Nation – mit Elbblick, einzigartiger Schwimmbühne und vielen Überraschungen«. Auch Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) wird in der Mitteilung zitiert. »Die Hafencity spiegelt unsere maritime Tradition wider und steht zugleich für Weltoffenheit und Modernität – ein perfekter Ort, um gemeinsam das neue Jahr zu begrüßen«, harfte er.
Die Silvestershow soll vor dem kürzlich neu eröffneten Westfield-Centers stattfinden, berichtete der NDR am Mittwoch. Geplant sei eine schwimmende Bühne wie beim Hafengeburtstag, auf der diverse Künstler auftreten. Aus einem Antrag des Veranstalters an das Bezirksamt Mitte, der dem NDR vorliegt, gehe hervor, dass etwa 10.000 Menschen dort feiern könnten. Zum Brandenburger Tor waren in den vergangenen Jahren jeweils etwa 60.000 Feiernde gekommen. Unklar sei noch, wie teuer die Party werde und wer sie bezahle, heißt es in dem Beitrag des NDR weiter. Laut Wirtschaftsbehörde werde über die Veranstaltung noch verhandelt. Eine halbe bis eine Million Euro, die der Berliner Senat bislang dazugegeben hat, wolle man in Hamburg nicht locker machen.
Die Linksfraktion in der Bürgerschaft lehnt die Subventionierung der Silvestersause generell ab. In einer Mitteilung vom vergangenen Sonntag bezieht sie sich auf den Berliner Bürgermeister Kai Wegener (CDU). Dieser habe die weitere Bezuschussung mit den Worten abgelehnt, es sei »nicht Aufgabe der Steuerzahler, solche Veranstaltungen mitzufinanzieren«. Der Hamburger Senat habe dagegen offenbar keine Probleme, einen sechs- bis siebenstelligen Betrag für die ZDF-Silvesterparty auszugeben, kritisierte Heike Sudmann, Kovorsitzende der Fraktion, am Mittwoch gegenüber jW. Sie forderte den Senat auf, die Verhandlungen umgehend abzubrechen.
Mit einer kleinen Anfrage wollten Sudmann und ihr Fraktionskollege Stephan Jersch vom Senat Genaueres wissen. Doch die Antwort vom 2. Oktober, die jW vorliegt, ist wenig konkret. Die städtische Hamburg Marketing GmbH werde »angesichts der großen medialen Reichweite und Wirkung der Sendung« mit dem Veranstalter »eine Marketingkooperation zum Nutzen des Hamburg Marketings eingehen«, heißt es da. Die Stadt begrüße das Interesse des Veranstalters an der Durchführung der Veranstaltung in Hamburg, so der Senat. »Eine große Zahl von Zuschauerinnen und Zuschauern würde den Jahresanfang 2026 mit seinen Emotionen gleichsam zu Hause am Bildschirm und auch in Hamburg miterleben.«
Sudmann bemängelt die Dürftigkeit der Antwort auf ihre Anfrage. »Im Verschweigen ist der Senat groß«, erklärte sie. Da das ZDF bereits Werbung für die Silvesterparty mache, sei es »mehr als wahrscheinlich, dass es diverse Zusagen vom Senat gibt«. Die Linke-Politikerin monierte auch, dass der Senat es nicht für nötig hielt, im Vorfeld die Bezirksversammlung Mitte und das Netzwerk Hafencity einzubeziehen, sondern »selbstherrlich allein entschieden hat«. Für Projekte wie das Café Osborn, das einen großen Nutzen für den benachteiligten Stadtteil Osdorfer Born und die dort Beschäftigten hat, lasse der Senat sich dagegen »nur nach zähen Verhandlungen einige zehntausend Euro abhandeln«.
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