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Aus: Ausgabe vom 10.10.2025, Seite 6 / Ausland
Griechenland

Hart, härter, am härtesten

Griechenland: Neuer Asylplan beschneidet letzte noch vorhandene Rechte Geflüchteter. Deutschland schickt eifrig zurück
Von Yaro Allisat
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Die ständigen Schikanen gegen Schutzbedürftige bleiben nicht unerwidert (Athen, 2.9.2025)

Griechenlands ultrarechter Migrationsminister Thanos Plevris hat eine umfassende Überarbeitung der Sozialleistungen für Asylsuchende begonnen. Gemäß seinem Plan wurden Anfang der Woche Kosten bei Verpflegung und Unterkunft gekürzt, damit möchte er innerhalb von zwei Jahren rund 288 Millionen Euro sparen. In einem nächsten Schritt soll das Helios-Programm, das Mittel für Wohn- und Ausbildungskosten, insbesondere auch für Rückkehrer aus anderen EU-Staaten vorsieht, abgeschafft werden. In einem dritten Schritt soll die finanzielle Unterstützung Geflüchteter, die aktuell bei rund 75 Euro monatlich liegt, halbiert werden. Die Verträge für den ersten Schritt des Plans mit dem Regierungsunternehmen Superfund sind am Montag unterschrieben worden. EU-Regeln soll der Plan laut der griechischen Regierung nicht verletzen.

Die stellvertretende Migrationsministerin Sevi Voloudaki erklärte, Griechenland trete mit dem Plan in eine »neue Ära der Migrationspolitik« ein. »Die Mentalität des passiven Aufenthalts und der endlosen Sozialleistungen hat endgültig ausgedient. Von nun an wird die Unterstützung an Beschäftigung, Bildung und echte Integration geknüpft sein«, erklärte sie bei der öffentlichen Unterzeichnung der Verträge mit Superfund. Minister Plevris sieht in dem Plan ein Vorbild auch für andere EU Staaten.

NGOs kritisieren seit langem die Verhältnisse, unter denen sowohl Asylsuchende als auch anerkannte Geflüchtete in Griechenland leben müssen. Viele Lager sind überfüllt. 2020, nach dem Brand im Lager Moria, gab es aus der EU zaghafte Kritik am griechischen Asylsystem. Im April dieses Jahres traf das deutsche Bundesverwaltungsgericht die Grundsatzentscheidung, dass Personen mit Flüchtlingsschutz in Griechenland, die aufgrund der schwierigen Lage dort in Deutschland Asyl beantragen, wieder dorthin abgeschoben werden dürfen. Nach ihrer Abschiebung könnten sie »ihre weiteren Grundbedürfnisse einschließlich Ernährung« durch »eigenes Erwerbseinkommen, anfänglich jedenfalls in der sogenannten Schattenwirtschaft, decken«, hieß es in der entsprechenden Pressemitteilung des höchsten deutschen Verwaltungsgerichts. Seit 2020 sind laut Pro Asyl rund 100.000 Menschen aus Griechenland in die Bundesrepublik weitergezogen.

Plevris’ neuer Plan reiht sich dabei ein in eine Linie von Gesetzesverschärfungen im Bereich Asyl. Bereits im Mai hatte das Ministerium für Migration die finanziellen Hilfen für Asylsuchende, auf Eis gelegt. Seit Juli dieses Jahres verweigert die griechische Regierung Geflüchteten, die aus Nordafrika kommen, den Zugang zur Asylantragstellung. Rund 1.000 Schutzsuchende waren seitdem bis Mitte September inhaftiert. Zwei einstweilige Anordnungen des Europäischen Gerichtshofs stoppten die unmittelbare Abschiebung der Schutzsuchenden ohne Asylverfahren. Ebenfalls im vergangenen Monat wurde ein Gesetz verabschiedet, das Plevris vor dem Parlament in Athen als »striktestes Rückkehrgesetz der gesamten EU« bewarb. Das Gesetz verkürzt die Ausreisefrist für Geflüchtete nach einer Asylablehnung und erhöht die Strafen für den sogenannten unerlaubten Aufenthalt. Das Gesetz wurde am 12. September direkt auf drei türkische Staatsbürger angewendet. Zwei von ihnen wurden wegen sogenannten illegalen Aufenthalts zu zwei Jahre Gefängnis und einer Geldstrafe von 5.000 Euro verurteilt, der dritte, ein 19jähriger, zu einer zehnmonatigen Gefängnisstrafe.

Bei der EU dürften die Pläne auf wenig Widerstand stoßen, gehört doch die Einschränkung der Rechte Geflüchteter mittlerweile bei nahezu allen Parteien sowie in der EU-Kommission zum Grundton. Hier manifestiert sich der Rechtsruck der Parteien der Mitte sowie der rechten Kräfte selbst. Dabei hat die versuchte Abschreckungspolitik nachgewiesenermaßen keinen Einfluss auf die Zahl der Geflüchteten, sondern drückt lediglich deren Lebensstandard und setzt das Leben der Menschen auf gefährlichen Fluchtrouten aufs Spiel.

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