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Aus: Ausgabe vom 10.10.2025, Seite 3 / Schwerpunkt
Ukraine-Krieg

Ein Fall von Hassliebe

Russland: Vorliebe für US-Präsident Trump zeigt sich auch in Waldai-Studie
Von Reinhard Lauterbach
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Auffällig ist, dass der russische Umgang mit Donald Trump viel freundlicher ist, als der mit seinem Amtsvorgänger Joe Biden. So hat Wladimir Putin auf der Plenarsitzung des Waldai-Klubs in Sotschi am 2. Oktober gesagt, man müsse mit Trump nicht einer Meinung sein, aber er heuchele wenigstens nicht über Werte herum, sondern suche offen seinen eigenen Vorteil. Man wisse also wenigstens, woran man sei. Auf dieser Grundlage ist Russland derzeit offenkundig bestrebt, mit Trump ins politische Geschäft zu kommen. Die Autoren der Waldai-Studie liefern dazu die ideologische Begründung.

Sie stellen – sicherlich zu Recht – fest, dass Trumps Präsidentschaft eine Krisenerscheinung ist und die Stellung der USA in der Welt illustriert. Denn wer fordern muss, »Amerika wieder großartig zu machen«, gibt im Ausgangspunkt zu, dass es gegenwärtig dies eben nicht ist. Trump habe eingesehen, dass die USA nicht mehr alles könnten, behaupten die Autoren. Die Vereinigten Staaten seien unter ihm nicht mehr bemüht, die Welt zu ändern, sondern eher bestrebt, die Fähigkeit zu wahren, alle internationalen Angelegenheiten, an denen Washington wesentlich interessiert ist, zum eigenen Vorteil zu lösen.

Anstatt eine alte Weltordnung durch eine neue zu ersetzen, seien die USA vielmehr bestrebt, aus der vorgefundenen alles zu beseitigen, was ihr bei der Aufrechterhaltung der Hegemonie zusätzliche Kosten auferlege. Wenn in der Verfolgung dieses Ziels die liberale Weltordnung »verblasse« – man könnte polemischer auch sagen: sich blamiere – , dann nehme Trump dies in Kauf. Und Russland, versteht sich, erst recht. Trump ruiniere die liberale Weltordnung, indem er den »Partnernationen« die Möglichkeiten nehme, sich für die Unterwerfung unter die US-Hegemonie irgendwo schadlos zu halten, beispielsweise durch florierenden Export in die USA. Insofern ist Trump ein »unausgegorener Revolutionär«, schreiben die Autoren.

Seine Politik erhöhe die Anreize für die Klientelstaaten, sich nach anderen Bündnispartnern umzusehen und Fall-zu-Fall-Lösungen außerhalb bestehender Bündnissysteme zu finden. Unter anderem durch den Handel in Landeswährung unter Umgehung des US-Dollars – was sich allerdings noch in engen Grenzen hält und sich im wesentlichen auf die vom US-Hegemonialsystem ausgegrenzten Länder wie Russland und China beschränkt. Dass dieser Prozess nicht so einfach zu managen ist, räumen auch die Autoren ein: Entsprechende Abmachungen müssten »sehr diskret vorbereitet« werden, deuten sie die politischen Risiken eines Ausbrechens aus dem US-dominierten Finanzsystem an.

Illusionen über das US-Handeln im globalen Maßstab kann man den Autoren nicht vorwerfen. Eher vielleicht, dass sie sich nicht entscheiden können, ob sie die USA als Hauptgegner wahrnehmen oder doch als den Wunschpartner, mit dem ein »Deal« möglich ist, der Russland endlich wieder auf die durch die USA definierte Augenhöhe zurückbringen würde. Offen bleibt, ob die Autoren nicht die mit der Trump-Regierung verbundenen Chancen zu einer grundlegenden Änderung der Kräfteverhältnisse überzeichnen.

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