Vasallentum oder Tod
Von Wiebke Diehl
Mit Verhandlungen auf Augenhöhe hat das Schauspiel im ägyptischen Scharm Al-Scheich rein gar nichts zu tun. Schon als er seinen »Friedensplan« für Gaza am nach seinen Worten »vielleicht größten Tag der Geschichte der Zivilisation« verkündete, drohte US-Präsident Donald Trump der Hamas und mit ihr der gesamten Bevölkerung von Gaza: Wenn nicht binnen »drei oder vier Tagen« Zustimmung signalisiert würde, drohe »ein sehr trauriges Ende«.
Wer sich dem »Kompromiss« genannten US-amerikanisch-israelischen Diktat, in dessen Rahmen sich die Hamas selbst entwaffnen und politisch entmachten soll, nicht fügt, muss also mit einer Fortführung des Völkermords rechnen. Und natürlich sind es am Ende die palästinensischen »Terroristen«, die für den Tod der Zivilbevölkerung verantwortlich zeichnen, weil sie sie angeblich zu menschlichen Schutzschilden machen. Dem Fass den Boden ausgeschlagen hat wieder einmal Roderich Kiesewetter, der am Dienstag nach zwei Jahren Genozid und der kompletten Zerstörung des Gazastreifens bei Markus Lanz nicht etwa vom Apartheidstaat Israel, sondern ausschließlich von der Hamas forderte, »ihre Vernichtungsabsicht« aufzugeben.
Dass die Hamas am Mittwoch im Gegenzug für eine Freilassung der israelischen Geiseln Garantien für die Beendigung des Kriegs forderte, ist mehr als verständlich. Dies gilt vor dem Hintergrund der Geschichte – von der Balfour-Deklaration, die die Rechte der Palästinenser angeblich nicht beschneiden sollte, über die Oslo-Abkommen, nach denen der israelische Siedlerkolonialismus erst richtig an Fahrt aufnahm, bis hin zum mit westlichen Waffen geführten Völkermord in Gaza. Und es gilt auch, weil Benjamin Netanjahu unmissverständlich klargemacht hat, dass die Besatzungsarmee sich nicht aus der Küstenenklave zurückziehen wird, und weil die israelischen Angriffe entgegen anderslautender Versprechen immer noch nicht eingestellt wurden. Wie schon die Osloer Abkommen der 90er Jahre hat der »großartige Friedensplan« Trumps zum Ziel, die Besatzung zu verfestigen und »Groß Israel«-Plänen den Weg zu bereiten. Nicht umsonst hat Navanethem Pillay, UN-Kommissarin und ehemalige Richterin am Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag, in Übereinstimmung mit 36 weiteren UN-Experten den 20-Punkte-Plan als Verstoß gegen die Erklärung des Internationalen Gerichtshofs und als Einschränkung der Souveränität des palästinensischen Volkes bezeichnet.
Sein Ziel ist die Umsetzung der in zwei Jahren nicht erreichten Kriegsziele Israels. Die gebetsmühlenartig vorgebrachte Forderung nach »Deradikalisierung« und »Dehamasifizierung« – ein bewusster Versuch, die heutigen palästinensischen Opfer mit Nazideutschland gleichzusetzen – ist eigentlich ein Synonym dafür, ihnen ihr Recht auf Selbstbestimmung und Souveränität abzusprechen. Und wenn sie sich den Kolonialherren nicht fügen, werden sie vernichtet.
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