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Aus: Ausgabe vom 09.10.2025, Seite 4 / Inland
Staatliche Überwachung

Drohnenpanik als Türöffner

Von Taschenkontrollen bis Telefonüberwachung: Bundespolizei erhält neue Eingriffsrechte
Von Kristian Stemmler
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Männer brauchen Spielzeug: Innenminister Alexander Dobrindt (CSU) und eine Polizeidrohne (Duderstadt, 15.8.2025)

Seit Tagen dominiert das Thema Drohnen die öffentliche Debatte. So wurden auch die umfangreichen Änderungen des Bundespolizeigesetzes, die das Bundeskabinett am Mittwoch beschlossen hat, von den Medien hauptsächlich unter dem Stichwort »Drohnenabwehr« abgehandelt. Dabei ging weitgehend unter, dass die Bundespolizei mit der Reform des Gesetzes eben nicht nur in diesem, sondern auch in vielen anderen Bereichen neue, weitreichende Befugnisse und Durchgriffsrechte erhält. So darf sie zum Beispiel künftig anlasslose Kontrollen durchführen und Telefone überwachen.

Drohnen kommen bisher im Bundespolizeigesetz explizit nicht vor. Daher wurde ein neuer Paragraph eingefügt. Dieser erlaubt der Bundespolizei in ihrem Zuständigkeitsbereich – also etwa auf Flughäfen und Bahnanlagen –, »geeignete technische Mittel« gegen »unbemannte Fahrzeugsysteme« einzusetzen. Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) erklärte in einer Mitteilung, mit der Gesetzesänderung reagiere die Regierung »auch auf die neue Art der Bedrohung durch Drohnen, wie wir sie jetzt vermehrt sehen können«.

Die Bundespolizei werde in die Lage versetzt, »technisch auf der Höhe der Zeit gegen Drohnengefahren vorzugehen, beispielsweise mit elektromagnetischen Impulsen, mit Jamming, mit GPS-Störung«, erklärte Dobrindt. Beim »Jamming« wird die Verbindung zwischen Drohne und dem Piloten mit Störsignalen unterbrochen. Mit der Gesetzesänderung sei aber auch der Abschuss der Drohnen »zukünftig durch die Bundespolizei geregelt und möglich«. Dobrindt kündigte auch eine Änderung des Luftsicherheitsgesetzes an, die derzeit in der Bundesregierung noch in der Abstimmung ist. So soll die Bundeswehr befugt werden, gegen militärische Drohnen vorzugehen.

Auch sonst kann sich die Bundespolizei über viele neue Befugnisse freuen. Künftig darf sie etwa »stichprobenartige und anlasslose Kontrollen« in Waffen- und Messerverbotszonen auf Bahnhöfen oder in Zügen durchführen. »Anders lassen sich die Führensverbote für Waffen und Messer nicht effektiv durchsetzen«, heißt es dazu lapidar im Gesetz. Um die Einreise von »Extremisten« zu verhindern oder »Schleuserrouten« aufzudecken, darf die Bundespolizei demnächst Telefone abhören sowie Standort- und andere Nutzerdaten erheben.

Bei der Ortung von Handys sollen mehr technische Mittel zum Einsatz kommen dürfen, etwa sogenannte stille SMS, die dem Empfänger nicht angezeigt werden. Eine weitere Änderung: Airlines sollen die Fluggastdaten von Flügen aus Nicht-Schengen-Staaten in die Bundesrepublik automatisch an die Bundespolizei übermitteln und nicht erst auf Anforderung. Um Abschiebungen zu erleichtern, soll die Bundespolizei die Befugnis erhalten, »vollziehbar Ausreisepflichtige« festzuhalten, damit diese nicht untertauchen können.

Unterdessen heizen Medien die Drohnenhysterie weiter an. So berichtete der NDR am Mittwoch, es habe in diesem Jahr so viele Vorfälle mit Drohnen im Flugverkehr gegeben wie noch nie. Laut Deutscher Flugsicherung (DFS) gab es bis Ende September bereits 172 gemeldete Behinderungen des Flugverkehrs durch Drohnen. Dies sei der höchste Wert seit Einführung der Statistik im Jahr 2015. 72 Prozent der Vorfälle in diesem Jahr hätten sich im Großraum eines Flughafens ereignet, so die DFS.

Tatsächlich bricht die Mär von den »russischen Drohnen« immer mehr in sich zusammen. So berichtete der Sender N-TV vor einer Woche, bei einem Großteil der Sichtungen in Schleswig-Holstein hätten Experten illegale, kritische Drohnenüberflüge mittlerweile ausgeschlossen. Ein Drohnenvorfall am Frankfurter Flughafen am Freitag war auf einen »Hobbydrohnenpiloten« zurückzuführen, wie die Polizei von Frankfurt am Main bereits am Tag darauf mitteilte.

Der EU-Abgeordnete Fabio De Masi (BSW) wies am Sonntag auf X darauf hin, dass in Dänemark Behörden und Politik verbal den Rückwärtsgang einlegen und statt von »Drohnenbeobachtungen« mittlerweile nur noch von »Luftbeobachtungen« sprechen. Auch werde eingeräumt, es sei noch nicht einmal klar, ob es sich bei den beobachteten Objekten wirklich um Drohnen gehandelt habe.

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