Gegründet 1947 Donnerstag, 9. Oktober 2025, Nr. 234
Die junge Welt wird von 3036 GenossInnen herausgegeben
Aus: Ausgabe vom 09.10.2025, Seite 2 / Inland
Bibliotheken in der BRD

»Viele sind nur mit einer Planstelle besetzt«

Finanzierung öffentlicher Bibliotheken flächendeckend prekär. Branchen- und Kommunalverbände wollen Sonntagsöffnung. Ein Gespräch mit Holger Krimmer
Interview: Marc Bebenroth
Stadtbibliothek_Illu_86894290.jpg
Längst sind Bibliotheken mehr als nur Orte, wo man Bücher lesen oder leihen kann (Leipzig, 21.10.2016)

Der Deutsche Bibliotheksverband, DBV, hat am Mittwoch die Ergebnisse einer aktuellen Umfrage unter seinen Mitgliedern veröffentlicht. Demnach steht fast ein Viertel der öffentlichen Bibliotheken unter einer Haushaltssperre. 37 Prozent sind von Kürzungsmaßnahmen betroffen. Das Gesamtbudget von 85 Prozent aller befragten Einrichtungen stagniere oder sinke. Wer ist dafür verantwortlich?

Den Großteil unserer Mitglieder bilden Öffentliche Bibliotheken. Diese werden in der Regel einzig durch den kommunalen Unterhaltsträger finanziert. Und das ist eine freiwillige Leistung. Seit Jahren sehen wir die alarmierenden Meldungen von den kommunalen Spitzenverbänden zur Finanzlage von Städten und Gemeinden. Wir kennen die Zahlen über die zunehmenden Kassenkredite und die Überschuldung der Kommunen. Das schlägt eins zu eins durch auf die Öffentlichen Bibliotheken.

Auf dem Papier besteht das Recht auf kulturelle Teilhabe sowie Zugang zu Informationen und Bildung. Gibt es da keine Handhabe, um die Finanzierung der Bibliotheken langfristig abzusichern?

Ob es möglich ist, von den Bundesländern einzufordern, dass es hier bestimmte Förderungen geben muss? Das ist schwierig. In Berlin beispielsweise steht aktuell ein neues Landesbibliotheksgesetz an. In ersten Entwürfen wurde überlegt, ob man die Finanzierung als Pflichtaufgabe übernehmen soll. Nur in Sachsen gibt es eine wirklich geregelte Landesförderung, die in der Breite der öffentlichen Bibliotheken ankommt. Dort werden mit dem Kulturraumgesetz seit Jahren verschiedene Kulturräume bestimmt, denen vom Land jeweils mit eigenen Verteilungsschlüsseln Förderungen zugewiesen werden.

Warum nehmen Sie den Kommunen die Unterfinanzierung nicht übel?

Sie stehen sehr häufig bemerkenswert stark hinter den Bibliotheken. Ich habe viele Bibliotheken besucht, deren Kommunen in der Haushaltssicherung waren und die von den Aufsichtsbehörden angemahnt wurden, die eine oder andere Stelle auch im Bibliotheksbereich zu kürzen. Aber die Bürgermeister verstehen, welchen Wert die Bibliotheken gerade heute haben, und treten häufig beeindruckend für sie ein. Auch der Deutsche Städte- und Gemeindebund hat ein neues Positionspapier vorgelegt und fordert darin den Bund auf, sich stärker für kommunale Bildungswelten einzusetzen. Dazu gehört auch, die Sonntagsöffnung für öffentliche Bibliotheken endlich umzusetzen.

Weshalb ist die so wichtig?

Sie steht bereits in der zweiten Legislaturperiode im Koalitionsvertrag. Uns ist sehr wichtig, unsere Türen auch dann öffnen zu können, wenn viele Menschen und Familien wirklich Zeit haben, Bibliotheken zu besuchen. Das ist häufig gerade nicht wochentags von neun bis 16 Uhr, sondern eben am Sonntag.

Wie steht es um den Nachwuchs?

Es gibt mittlerweile viele Bibliotheken in kleinen und Kleinstkommunen, die nur mit einer Planstelle besetzt sind und das oft nicht einmal in Vollzeit. Aber auch wir machen uns viele Gedanken über Fachkräftemangel. Deswegen haben wir mit den Berufsverbänden die Kampagne »Mein Job Bibliothek« sowie eine Arbeitsgruppe eingesetzt, mit der wir eine Arbeitgebermarke aufbauen wollen. Zu viele Menschen haben noch dieses alte Bild einer »Pssst«-Bibliothek im Kopf, wo man bloß nicht stören darf. Das hält junge Menschen mitunter davon ab, sich für den Beruf zu entscheiden. Dabei sind die meisten Bibliotheken heute lebendige Kulturzentren. Das größere Problem aber ist, dass es viele Bibliotheken gibt, die einem Wiederbesetzungs- oder Einstellungsstopp unterliegen.

An diesem Donnerstag startet der 3. Bibliothekspolitische Bundeskongress des DBV in Berlin. Auf dem Programm stehen auch Diskussionen mit Politikerinnen und Politikern. Was erhoffen Sie sich vom Austausch mit ihnen?

Bibliotheken sind sowohl Kultur- und Bildungsorte als auch Infrastrukturen für Forschung und Wissenschaft. Dadurch können und müssen wir auf Bundesebene verschiedene Ressorts parallel ansprechen. Wir wünschen uns, gemeinsam mit den verschiedenen Ressorts darüber ins Gespräch zu kommen, welche Rolle Bibliotheken für den gesellschaftlichen Zusammenhalt, für die digitale Teilhabe und bei Fragen der Wissenschaftsfreiheit spielen. Zugleich müssen wir deutlich machen, warum der Koalitionsvertrag unbedingt umgesetzt werden muss.

Tageszeitung junge Welt am Kiosk

Die besonderen Berichterstattung der Tageszeitung junge Welt ist immer wieder interessant und von hohem Nutzwert für ihre Leserinnen und Leser. Eine gesicherte Verbreitung wollen wir so gut es geht gewährleisten: Digital, aber auch gedruckt. Deswegen liegt in vielen tausend Einzelhandelsgeschäften die Zeitung aus. Überzeugen Sie sich einmal von der Qualität der Printausgabe. 

links & bündig gegen rechte Bünde

Jetzt den kostenlosen jW-Newsletter abonnieren – täglich das Beste aus der Tageszeitung junge Welt, direkt in Ihr Postfach. Ihre E-Mail-Adresse wird natürlich niemals an Dritte weitergegeben.