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Aus: Ausgabe vom 08.10.2025, Seite 15 / Antifaschismus
»Antifa« auf »Terrorlisten«

»Hierzulande ist sie breit aufgestellt«

Antifabewegung blickt Welle größerer Repression entgegen. Ein Gespräch mit Hartmut Brückner
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In den Vereinigten Staaten sind die Kampfbedingungen andere: Gegnerinnen und Gegner der Entführungs- und Einschüchterungspolitik Washingtons stellen sich ICE-Schergen entgegen (Portland, 4.10.2025)

US-Präsident Donald Trump hat die dezentrale Antifabewegung als »militaristische, anarchistische Organisation« eingestuft und auf eine Liste terroristischer Vereinigungen gesetzt. Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán hat danach per Dekret Ähnliches vorbereitet. Droht eine Welle der Kriminalisierung von Antifaschisten nach Europa überzuschwappen?

Trumpsche Politik ist dies seit 2019, ein Baustein im Umbau der USA zum autoritären Staat. Mit seinen »Make America great again«-Proklamationen kündigte er an, was er gegen linke politische Kultur unternehmen will. Ziel ist ein soziales und politisches System mit weißer rassistischer Vorherrschaft, die sogenannte White Supremacy. Er sprach von »Gewalt und Vandalismus des linken Flügels«, fand Resonanz bei der AfD, die hier ebenso ein »Antifa«-Verbot forderte: Deren Abgeordneter Jens Maier dankte Trump im Bundestag, dass er der Antifa »den Krieg erklärt« habe. Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius von der SPD hatte bereits 2021 als Innenminister Niedersachsens laut überlegt, ob die Antifa hier verboten werden könne. In einer Mitteilung des Ministeriums hieß es, die Szene entwickele sich »zu einer terroristischen Struktur«. In den Niederlanden und Ungarn versuchen rechte Regierungen, Antifaschismus zu delegitimieren und unter Strafe zu stellen.

Wie unterscheiden sich die Antifa in den USA und der BRD?

Die Antifa in den USA ist meiner Kenntnis nach von der autonomen Bewegung der 1980er/90er Jahre geprägt. Die Gesetzeslage dort ist anders als in Deutschland: Man darf Waffen mit sich führen und Schutzbekleidung tragen – was hier verboten ist. Militanter Widerstand zeigt sich in direkten Konfrontationen auf der Straße. Tote gab es aber hauptsächlich auf seiten der Antifa. In Trumps erster Amtszeit etwa fuhr 2017 ein extrem Rechter in Charlottesville mit dem Auto in eine Gruppe hinein, die gegen einen Neonaziaufmarsch protestierte, und tötete eine Antifaschistin. Hierzulande ist die Antifa, auch durch die Geschichte des Widerstands gegen den deutschen Faschismus, breit aufgestellt. Neben den Autonomen stellt sich die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten, VVN–BdA, in diese Tradition. Es gibt eine in Gewerkschaften und Bevölkerung verankerte Gedenkkultur.

Die Rote Hilfe hat eine Kampagne gestartet mit dem Motto: »Antifaschismus ist notwendig – wir sind alle Antifa«. Ist das so? Menschen, die gegen die AfD auf die Straße gehen, ob Grüne, SPD oder der katholische Flügel der CDU, vertreten den Regierungskurs.

Selbstverständlich kann man sich über verschiedene Strategien streiten. Wir als Rote Hilfe versuchen im Auftreten gegen die enorme Repression, die gerade auf die Bewegung zukommt, Gemeinsamkeit herzustellen. Auch wenn die Kernaussage des Schwurs von Buchenwald »Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung. Der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel« nicht eingehalten, der antikapitalistische Ansatz nicht berücksichtigt ist: Gegen die AfD müssen wir uns gemeinsam wehren.

Was bleibt von kommunistischen oder sozialistischen Werten der Antifa?

Die Rote Hilfe gibt der Antifa keine Strategien vor. Wir wollen Gemeinsamkeit gegen die Repression herstellen, die sich gegen alle wendet.

Was können Sie zum Ziel und Inhalt der Kampagne sagen?

Bei der VVN–BdA gibt es Solidarisierungseffekte zu den Budapest-Verfahren gegen Antifaschistinnen. Verteilt jemand vom katholischen Flügel der CDU etwa unsere Flugblätter oder besucht Prozesse, ist uns das auch recht. Wird der Druck seitens der Polizei oder staatlicher Behörden groß, haben wir immer dann Erfolge, wenn gewerkschaftliche, zivilgesellschaftliche Bewegungen und die militante Antifa sich vor Ort nicht spalten lassen. Das meinen wir, wenn wir sagen, »wir sind alle Antifa«.

Was also tun?

Wir sollten uns auf Esther Bejarano (im Juli 2021 verstorbene Holocaustüberlebende, jW) besinnen: »Wer gegen Nazis kämpft, kann sich auf den Staat nicht verlassen.« Auf Brandmauerdebatten können wir nicht setzen. Zwar ist nicht davon auszugehen, dass die Bundesregierung die Antifa verbieten, aber davon, dass sie zum Beispiel versuchen wird, uns mit Repressionen zu überziehen, Räume und Geld zu entziehen. Wir müssen uns besser zusammenschließen, Vertrauen zueinander aufbauen.

Hartmut Brückner ist Mitglied im Bundesvorstand der Solidaritätsorganisation Rote Hilfe e. V.

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