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Aus: Ausgabe vom 08.10.2025, Seite 15 / Antifaschismus
Mord an Samuel Yeboah

Revision verworfen

Saarlouis-Prozess: Bundesgerichtshof bestätigt Freispruch im Zusammenhang mit Brandanschlag von 1991
Von Max Ongsiek
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Blumen zum Gedenken an Samuel Yeboah in Saarlouis (19.2.2022)

Mehr als 34 Jahre nach dem Brandanschlag und über ein Jahr nach dem Mordurteil bleibt es für den zunächst Mitangeklagten bei einem Freispruch. 1991 war der 27jährige Ghanaer Samuel Yeboah durch den faschistischen Brandanschlag auf eine Unterkunft für Asylsuchende in Saarlouis getötet worden. Weitere Menschen wurden bei der Flucht vor den Flammen teils schwer verletzt. Der Neonazi Peter S., der mit einem Benzinkanister am 19. September 1991 um 3.30 Uhr den Brand legte, wurde dafür vor zwei Jahren wegen Mordes und zwölffachen versuchten Mordes verurteilt. Allerdings zu einer Jugendstrafe, da der Angeklagte zum Tatzeitpunkt erst 20 Jahre alt gewesen war. Der Verdacht, zu der Tat angestiftet zu haben, fiel auf Peter St. Ihm wurden Beihilfe zum Mord und 20facher versuchter Mord vorgeworfen. Das Oberlandesgericht Koblenz hatte St. jedoch im Sommer 2024 freigesprochen. Damit war die Bundesanwaltschaft unzufrieden und hatte Revision eingelegt. Die hat der Bundesgerichtshof (BGH) am Dienstag verworfen.

Der BGH bestätigte das Urteil des Oberlandesgerichts vom Juli 2024. Es sei nicht festzustellen, dass der Angeklagte bei seiner »Äußerung« »billigend in Kauf nahm«, dem Kumpan zu der Brandstiftung »psychische Hilfe zu leisten«. Somit habe eine Überprüfung des Urteils durch den für Staatsschutzstrafsachen zuständigen 3. Strafsenat des Bundesgerichts auch keinen »Gehilfenvorsatz in bezug auf die begangene Haupttat« festgestellt. Das Urteil sei somit »rechtskräftig«.

In der Tatnacht befanden sich damals 21 Menschen in dem Haus: 13 schliefen im Obergeschoss, acht feierten im Erdgeschoss einen Geburtstag. Zwischen 1990 und 1992 waren insgesamt rund 20 Brand- und Rohrbombenanschläge allein im Umfeld von Saarlouis verübt worden, wie der Deutschlandfunk am 14. November 2022 berichtete. Von offizieller Seite wurde – aus angeblichem Mangel an Beweisen – ein Neonazihintergrund der Tat jahrzehntelang zurückgewiesen. Der Fall wurde 2019 neu aufgerollt. Eine Zeugin mit Kontakten in die Neonaziszene hatte die saarländische Polizei kontaktiert und Peter S. belastet.

Für den Verein »Aktion 3. Welt Saar«, der regelmäßig an den rassistischen Anschlag erinnert, bemängelte Geschäftsführer Roland Röder am vergangenen Freitag die Ermittlungsarbeit im Todesfall Yeboah. 30 Jahre lang hätten »Polizei, Justiz, Parteien und Teile der Medien« das Verbrechen, das »im Kontext von rund 20 weiteren rassistischen Anschlägen während der Regierungszeit von Oskar Lafontaine (SPD) und seinem Innenminister Friedel Läpple« stehe, als »Streitereien zwischen linken und rechten Jugendlichen verharmlost«.

»Es braucht eine lückenlose Aufarbeitung der damaligen Ermittlungsfehler und des gesellschaftlichen Klimas, das solche Taten möglich gemacht hat«, erklärte Florian Spaniol, Landesvorsitzender der Partei Die Linke Saar, am Dienstag auf jW-Anfrage zum nun rechtskräftigen Freispruch für den zweiten Angeklagten im Mordfall Samuel Yeboah.

Der BGH bezog sich bei seinem Urteil auf die vom Oberlandesgericht Koblenz getroffene Feststellung, Peter St. habe als »Anführer der lokalen Skinheadszene« gegenüber zwei Bekannten geäußert, »möglicherweise« in »Anknüpfungen an Ausschreitungen gegen Asylsuchende und Ausländer in Ostdeutschland«, dass in Saarlouis auch so etwas passieren müsse.

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