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Aus: Ausgabe vom 08.10.2025, Seite 9 / Kapital & Arbeit
»Net-Zero Banking Alliance«

Banken begraben Papiertiger

Klimaschutzbündnis »Net-Zero Banking Alliance« im Bankensektor stellt seine Tätigkeit ein. Geschäfte mit fossilen Energieträgern gehen vor
Von Ralf Wurzbacher
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Schnee von gestern: Proteste gegen Greenwashing vor der Citibank (New York, 8.8.2024)

Was sich lange angedeutet hatte, ist nun auch offiziell beschlossene Sache: Das größte sogenannte Klimabündnis der Finanzindustrie zieht sich selbst den Stecker. Weil seit Monaten scharenweise Mitglieder Reißaus genommen hatten und das Bündnis damit faktisch wirkungslos und handlungsunfähig geworden war, hat die »Net-Zero Banking Alliance« (NZBA) ihre Tätigkeit eingestellt. Der Beschluss erfolgte am vergangenen Freitag nach Vorlage der Ergebnisse einer Befragung unter den verbliebenen Beteiligten. Diese votierten mehrheitlich dafür, die Koalitionsstruktur zu zerschlagen und die Organisation in eine »Framework-Initiative« umzuwandeln, die nur mehr auf Freiwilligkeit setzt.

Bei »Urgewald« weint man der NZBA keine Träne nach. »Wenn die Welt brennt, braucht es Klimataten statt Klimarhetorik«, meint Katrin Ganswindt, die für den Umweltverband die Finanzrecherchen leitet. »Dies konnten freiwillige Bündnisse bisher nicht einlösen«, sagte sie am Dienstag gegenüber junge Welt. »Statt dessen braucht es eine wirksame Regulierung der Finanzströme. Die Finanzierung fossiler Expansion muss zu einer roten Linie werden.«

Erklärtes Ziel der 2021 im Rahmen des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP FI) gegründeten Allianz war es einmal, die Kohlenstoffemissionen aus den Kredit- und Investmentportfolios der weltweit führenden Finanzinstitute bis 2050 auf netto null zu reduzieren. Unter dem Eindruck der globalen Klimaschutzbewegung wuchs die NZBA auf zwischenzeitlich rund 150 »Mitstreiter« aus 44 Staaten an.

Allerdings ging es bei ihrem Engagement vornehmlich um Greenwashing-Strategien und nicht darum, ernsthafte Anstrengungen in Richtung Energiewende zu unternehmen. Tatsächlich hat der internationale Finanzsektor seine Investments in fossile Brennstoffe in den zurückliegenden Jahren deutlich ausgeweitet. Nach Zahlen des jüngst veröffentlichten Reports »Banking on Climate Chaos« (BOCC) haben die 65 bedeutendsten Bankhäuser seit dem Pariser Klimaschutzabkommen im Jahr 2015 insgesamt 7,9 Billionen US-Dollar in die Förderung von Kohle, Öl und Gas gesteckt.

Erheblich befeuert haben die Geschäfte die Energiekrise im Gefolge des Ukraine-Kriegs sowie der Regierungswechsel in Washington. Bekanntlich hat US-Präsident Donald Trump den wissenschaftlichen Konsens zum menschengemachten Klimawandel wie-derholt als »Schwindel« bezeichnet und schon im Wahlkampf klargestellt, entsprechende Regulierungen abzuräumen. Den Kurswechsel geht die Finanzlobby nur zu bereitwillig mit. Noch bevor der Republikaner sein Amt antrat, machten sich prompt etliche US-Banken ehrlich und kehrten der NZBA den Rücken. Los ging es im Dezember 2024 mit der Citigroup, Bank of America, Goldman Sachs und Wells Fargo. Später folgten Morgan Stanley, J. P. Morgan Chase sowie eine Reihe europäischer Platzhirsche wie UBS, BNP Paribas, Crédit Agricole, Société Générale und Banque Postale.

Der Aderlass veranlasste das Bündnis zu Jahresanfang zu einer Abschwächung seiner Statuten, indem es einst verbindliche »Richtlinien« in unverbindliche »Leitlinien« umwandelte. Aber auch dieser Schritt konnte den weiteren Niedergang der Allianz nicht aufhalten. Im August verkündete sie zunächst das Einfrieren ihrer Aktivitäten, nun folgte das faktische Aus. Übrig bleibt ein Papiertiger.

Einzelne Banken könnten diese Ressourcen nutzen und darauf zurückgreifen, um ihre eigenen Klimaschutzpläne zu entwickeln und zu realisieren, heißt es in einer Bekanntmachung. Ihr »Leitfaden zur Festlegung von Klimazielen«, der Ansätze zur sektoralen Dekarbonisierung skizziert, soll zwar weiterhin öffentlich zugänglich sein, die Umsetzung wird jedoch weder kontrolliert noch dokumentiert, geschweige denn verlangt.

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