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Aus: Ausgabe vom 08.10.2025, Seite 8 / Ansichten

Menschenfreund des Tages: Ukrainischer Offizier

Von Reinhard Lauterbach
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Lieber Dienst in der Dönerbude oder weggesperrt sein im Gefängnis, als sich an der Front verheizen zu lassen …

Nicht, dass hier der Korruption das Wort geredet werden soll. Aber manchmal hat sie auch ihr Gutes. Wie zum Beispiel in einem Fall, der sich im ukrainisch kontrollierten Teil des Donbass abgespielt hat. Nach Angaben des zentralen Ermittlungsbüros der Ukraine ist jetzt ein bei Pokrowsk eingesetzter Offizier aufgeflogen, der Soldaten seiner Einheit erst zum Bau eines Kiosks und dann zwei von ihnen zum dortigen Verkauf von Döner unter Anleitung seiner Frau abgestellt habe. Dabei hätten die Dönersäbler den vollen Sold für den Fronteinsatz erhalten. Der Schaden für die Staatskasse wird auf vier Millionen Griwna (etwa 80.000 Euro) beziffert. Jetzt droht dem Offizier eine Strafe von zehn Jahren Gefängnis und den Soldaten – was nicht in der Meldung stand – der Wechsel vom Dönermesser zur Kalaschnikow. Was man auch wieder ungerecht finden kann – schließlich ist es im Schützengraben gefährlicher als im Knast.

Wie die Sache bekanntgeworden ist, kann man sich ja denken: Nicht jeder hat die Chance auf einen derartigen Druckposten, sonst wäre die ganze Ukraine eine einzige Dönerbude. Also wird irgend jemand aus Neid den Offizier und/oder die beiden Kameraden verpfiffen haben.

Auch ein anderer Fall wirft ein Schlaglicht auf das Militär. In einem Dorf im Gebiet Kiew hatten zwei Beamte der Mobilisierungsbehörde eine Katze »eingezogen«, vulgo: geklaut. Das Kind des einen wollte unbedingt eine, und was macht man da: Man fährt umher und fängt einen vermeintlichen Streuner ein. Dummerweise waren die Täter in Uniform, das fiel auf, und die Besitzerin veröffentlichte die Geschichte vom braven Soldaten »Murtschik« (»Schnurrerchen«) im Internet. Das ganze Land lachte, und das Gebietswehrersatzamt dementierte: Seine Mitarbeiter träten in Zivil auf, nicht in Uniform. Das stimmt womöglich. Ihr Job ist schließlich, Menschen zu fangen und keine Katzen.

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  • Leserbrief von Istvan Hidy aus Stuttgart (8. Oktober 2025 um 10:00 Uhr)
    Der geschilderte Fall vom Dönerstand im Donbass wäre zum Lachen, wenn er nicht so viel über den Zustand eines Landes im Dauerkrieg verriete. Während der Westen noch in Hochglanzbroschüren über »Korruptionsbekämpfung« und »Verteidigung der Demokratie« schwärmt, zeigt sich an solchen Anekdoten die banale Realität: Krieg zerstört nicht nur Städte, sondern auch Maßstäbe. Wenn ein Offizier lieber Döner verkauft, als Soldaten zu verheizen, ist das keine Korruption – das ist eine Form von zivilem Widerstand gegen den Wahnsinn. Dass er dafür zehn Jahre Haft riskieren soll, während ganz andere mit Milliarden jonglieren, spricht Bände über die moralische Hierarchie in einem System, das längst nur noch im Ausnahmezustand funktioniert. Die Geschichte von den uniformierten Katzenfängern ist da nur eine Fußnote im großen Lehrstück über den bürokratischen Krieg: Menschen werden mobilisiert, Tiere »eingezogen«, Grenzen zwischen Ernst und Groteske längst verwischt. Wo Verwaltung und Militär verschmelzen, wird der Alltag kafkaesk. Man kann über diese Geschichten lachen – oder sie als Symptom eines zutiefst erschöpften Staates lesen, der nur noch im Namen der »Verteidigung« funktioniert. Der Krieg frisst Vernunft, und was bleibt, sind kleine Inseln von Absurdität, auf denen Menschen versuchen, irgendwie menschlich zu bleiben.

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