Gegründet 1947 Mittwoch, 8. Oktober 2025, Nr. 233
Die junge Welt wird von 3036 GenossInnen herausgegeben
Aus: Ausgabe vom 08.10.2025, Seite 8 / Ansichten

Ausgestrahlt

Berlin mit Aktionsplan Entwicklungshilfe
Von Arnold Schölzel
Bundeswehr_hat_Mali_80349198.jpg
Abschied ohne großen Dank: Die Bundeswehr übergibt ihren Stützpunkt im malischen Gao (12.12.2023)

Sogenannte Entwicklungshilfe, im Sensibel-Neusprech Entwicklungszusammenarbeit, war für den kollektiven Westen stets Ergänzung militärischer Zertrümmerung unbotmäßiger Kolonien. Die »Hilfe«, die stets zum größten Teil aus rückzahlbaren Bankkrediten besteht, hat das »Entwicklungs«-Ministerium in Aufträge für die deutsche Industrie zu verwandeln. Man hatte viel Erfahrung mit solchen staatlichen Konjunkturprogrammen für die BRD-Industrie, als die DDR zu erobern war.

Kaum war deren Anschluss vollzogen, tauchte folgerichtig auch die Bundeswehr etwa in Afrika auf. Der erste Kriegsminister, der sie dorthin schickte, Volker Rühe, fiel 1993 symbolträchtig in den somalischen Dreck. Seitdem gibt es dort keinen Staat mehr. Jüngst musste die deutsche Hilfstruppe für Frankreichs Kolonialreich aus Mali und Niger herausgeworfen werden. Am Desinteresse des deutschen Kapitals am Handel mit Afrika hatte sie ohnehin nichts geändert. Am Dienstag berichtete Entwicklungsministerin Reem Alabali Radovan (SPD) bei der Veranstaltung zur Vorstellung ihres »Aktionsplans« mit dem hohlen Titel »Starke Partnerschaften für eine erfolgreiche Wirtschaft weltweit«, bei Amtsantritt habe sie festgestellt, dass zwei Prozent des deutschen Außenhandels auf Afrika entfielen. Also nichts. Das ist seit Jahrzehnten so, aber eine deutsche Ministerin muss das nicht wissen. Sie habe dann einen Minister aus Nigeria empfangen und dabei sei es nur um Handel gegangen. Vermutlich bestand der Herr auf Gleichberechtigung, also auf Unverschämtheiten. Die deutsche Maschinenbauindustrie macht im übrigen von sich aus einen weiten Bogen um fast ganz Afrika. Die Folge: Der Chef des Dortmunder Maschinenbauers Wilo, Oliver Hermes, befand am Dienstag auf Alabali Radovans Veranstaltung: »Der Sahel ist an Russland verloren, Zentralafrika an China.« Pumpen werde er noch los, denn Wasser und Energie seien die großen Fragen im Süden.

Konnte keiner ahnen, ausgenommen Chinesen und Russen. Dafür, dass die nicht übermütig werden, sorgt der Westen heutzutage weniger mit eigenen Truppen als durch Sponsoring angeblicher Dschihadisten und anderer stets gut bewaffneter Banden. Auch eine Entwicklungszusammenarbeit.

Seufzend stellte Friedrich Merz am 3. Oktober in seiner Rede zu 35 Jahre DDR-Anschluss fest: »Die Ausstrahlungskraft dessen, was wir den freien Westen nennen, nimmt jedenfalls erkennbar ab.« Warum war das bloß 1990 anders? Mögliche Erklärung: Wer Waffen liefert und nach dem Ruinenschaffen mit Geld für Wiederaufbau winkt, wie gesagt, für Aufträge an die deutsche Industrie, verliert vielleicht an Ausstrahlung. Alabali Radovan soll das nun ändern und gemäß ihrem Aktionsplan vor »Entwicklung« den »Dialog mit der Wirtschaft« stärken. Dafür wurde ihr Ministeriumsetat um eine Milliarde Euro gekürzt. Den Rest erledigt der Kriegsminister.

Tageszeitung junge Welt am Kiosk

Die besonderen Berichterstattung der Tageszeitung junge Welt ist immer wieder interessant und von hohem Nutzwert für ihre Leserinnen und Leser. Eine gesicherte Verbreitung wollen wir so gut es geht gewährleisten: Digital, aber auch gedruckt. Deswegen liegt in vielen tausend Einzelhandelsgeschäften die Zeitung aus. Überzeugen Sie sich einmal von der Qualität der Printausgabe. 

links & bündig gegen rechte Bünde

Jetzt den kostenlosen jW-Newsletter abonnieren – täglich das Beste aus der Tageszeitung junge Welt, direkt in Ihr Postfach. Ihre E-Mail-Adresse wird natürlich niemals an Dritte weitergegeben.

Ähnliche:

  • Ein weiterer Tag neigt sich in Kibera dem Ende zu (3.7.2022)
    26.02.2025

    Demut vor den Fakten

    Rezension: Aktivismus, Verfälschung und historische Quellenarbeit – zum Umgang mit dem deutschen Kolonialismus
  • Schulversammlung in der Mädchenschule in Kibera (18.9.2018)
    26.02.2025

    Unverzichtbarer Widerstand

    Seit Ende der 1960er Jahre unterstützte die DDR Befreiungsbewegungen in den Kolonien des Westens auch mit Waffen
  • Kubas Intervention in Angola brachte auch Namibia die Freiheit: ...
    10.02.2025

    Vater der Nation

    Nachruf auf den ehemaligen namibischen Freiheitskämpfer und Präsidenten Sam Nujoma

Mehr aus: Ansichten