Helfer misshandelt
Von Carmela Negrete
Während sich die nächste humanitäre Flotte dem Gazastreifen nähert und an diesem Mittwoch die von Israel beanspruchte »Rote Zone« vor der belagerten Enklave erreichen soll, kehren die vergangene Woche entführten Aktivisten der »Global Sumud Flotilla« nach und nach zurück. Am Dienstag mittag verkündete der Enkel Nelson Mandelas, Nkosi Zwelivelile Mandela, dass sich alle von Israel festgenommenen Teilnehmer der Flotilla wieder in Freiheit befänden. Die insgesamt 42 Boote waren zwischen dem 1. und 3. Oktober illegal abgefangen worden, als sie versuchten, die Blockade Israels gegen Gaza zu durchbrechen. 462 Menschen wurden in internationalen Gewässern entführt.
Und sie erheben schwere Vorwürfe gegen die israelischen Einsatzkräfte: Sie sollen geschlagen, gefesselt, geschubst und über den Boden geschleift worden sein. Sie hätten auf Betten schlafen müssen, die mit Bettwanzen befallen waren, oder seien mit Hunden bedroht worden. Die Anwältin der sieben australischen Teilnehmer, Jennifer Robinson, erklärte, sie hätte »schockierende Berichte über Menschenrechtsverletzungen erhalten, die während ihrer Festnahme und Inhaftierung begangen wurden. Dazu gehören unmenschliche und erniedrigende Behandlung, körperliche Misshandlung, Schlafentzug, Androhung sexueller Gewalt, unzureichende oder unsaubere Nahrung und Wasser sowie die Beschlagnahmung von Medikamenten.«
Auch der spanische Anwalt und Flotilla-Aktivist Rafael Borrego hatte bei seiner Ankunft in Madrid am Sonntag erklärt, dass sie im Gefängnis und auf dem Weg dorthin »körperlich und psychisch misshandelt« worden seien. Sie wären zudem mit verbundenen Augen in Käfige gesperrt und beleidigt worden. Die schwedische Klima- und Friedensaktivistin Greta Thunberg schilderte ähnliche Misshandlungen nach ihrer Ankunft in Griechenland, wohin sie am Montag mit anderen Teilnehmern ausgeflogen worden war. In einem online veröffentlichten Statement erklärt sie jedoch, dass nicht ihre Rückkehr die wichtige Nachricht sei: »Was hier geschah, war, dass Israel, während es seinen Völkermord und seine Massenvernichtung mit genozidaler Absicht weiter verschlimmerte und eskalierte und versuchte, eine ganze Bevölkerung, eine ganze Nation vor unseren Augen auszulöschen, erneut gegen das Völkerrecht verstieß, indem es humanitäre Hilfe daran hinderte, nach Gaza zu gelangen, während die Menschen hungerten.«
Auch 14 der 19 deutschen Teilnehmer befanden sich am Montag noch in israelischer Haft. Die Bundesregierung wurde gefragt, ob sie darüber informiert sei, dass es Misshandlungsvorwürfe gegen die israelischen Behörden gibt. Der Sprecher des Bundeskanzlers erklärte, er habe die Berichterstattung zur Kenntnis genommen. »Wir stehen mit den deutschen Staatsangehörigen in Kontakt, die sich in israelischem Gewahrsam befinden, und wir haben keine Hinweise darauf, dass diese Vorwürfe zutreffend sind«, sagte er. Friedrich Merz hat sich zu der Geiselnahme deutscher Staatsbürger in internationalen bzw. illegal okkupierten palästinensischen Gewässern bisher nicht geäußert. Er werde dies auch nicht tun, so sein Sprecher. Allerdings habe er mit Israels Premier Benjamin Netanjahu telefoniert. Dabei sei es jedoch um den US-Plan für einen Waffenstillstand gegangen.
Die Aktivisten jedenfalls fühlen sich im Stich gelassen. Die deutsche Aktivistin Yasemin Acar zeigte sich empört darüber, dass es dort einen Genozid gebe, den unsere Länder »finanzieren und moralisch unterstützen«. Sie seien entmenschlicht worden, aber man müsse heute vor allem an die Tausenden palästinensischen Gefangenen in Israel denken. Der spanische Innenminister Fernando Grande-Marlaska kündigte dagegen am Montag an, dass sein Land einen proaktiven Schritt unternehmen und beim Internationalen Strafgerichtshof (ICC) eine Klage wegen der Ereignisse im Zusammenhang mit der »Global Sumud Flotilla« einreichen werde. Grande-Marlaska erklärte, dass jeder Angriff auf Personen in internationalen Gewässern sowohl nach nationalem als auch nach internationalem Recht einen Akt der rechtswidrigen Inhaftierung darstelle.
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