Abwägende Abwehrkräfte
Von Marc Püschel
Die Nobelversammlung am Karolinska-Institut in Stockholm hat drei Immunologen mit dem Nobelpreis für Medizin ausgezeichnet. Mary Brunkow vom Institute for Systems Biology in Seattle, Fred Ramsdell von dem privaten Unternehmen Sonoma Biotherapeutics in San Francisco und Sakaguchi Shimon von der Universität Osaka in Japan erhalten den Preis für ihre bahnbrechenden Entdeckungen zur sogenannten peripheren Immuntoleranz. Ihre Forschungsergebnisse seien »entscheidend für unser Verständnis davon, wie das Immunsystem funktioniert und warum wir nicht alle schwere Autoimmunerkrankungen entwickeln«, begründete Olle Kämpe, Vorsitzender des Nobelkomitees, die Entscheidung. Laut dpa hat das Preiskomitee bisher nur Sakaguchi über die Verleihung informieren können.
Die Wissenschaftler arbeiten hauptsächlich zu der Frage, wie das Immunsystem sich selbst reguliert, so dass es zwar von außen in den Körper eindringende Mikroben bekämpft, nicht aber körpereigene Zellen. Sakaguchi entdeckte bereits im Jahr 1995 eine bisher unbekannte Klasse von Immunzellen, die den Körper vor Autoimmunerkrankungen schützen. Brunkow und Ramsdell fanden 2001 eine Erklärung dafür, warum ein bestimmter Stamm von Mäusen besonders anfällig für Autoimmunerkrankungen war. Die Mäuse wiesen eine Mutation in einem Gen auf, das die Biologen Forkhead Box P3 (FoxP3) nannten. Außerdem verursachen Mutationen eines äquivalenten Gens bei Menschen eine schwere Autoimmunerkrankung namens IPEX-Syndrom. Kurz darauf konnte Sakaguchi diese Ergebnisse mit seinen Forschungen verknüpfen und nachweisen, dass das FoxP3-Gen die Entwicklung der Zellen steuert, die er 1995 identifiziert hatte. Diese Zellen sind heute als regulatorische T-Zellen bekannt. Sie überwachen andere Immunzellen und sorgen dafür, dass unser Immunsystem unser eigenes Gewebe von fremden Zellen unterscheidet und es entsprechend toleriert. Mutationen sorgen entsprechend für eine größere Anfälligkeit für Erkrankungen.
Durch die Forschungen der Preisträger sollen künftig neue Therapieansätze möglich werden, mit denen Autoimmunerkrankungen wie Typ-1-Diabetes oder Multiple Sklerose womöglich sogar geheilt werden können. Etliche Therapien befinden sich bereits in der klinischen Erprobung. Auch in der Krebsmedizin könnte es Fortschritte geben.
In der Medizin ist der Nobelpreis die wichtigste und berühmteste Auszeichnung. Er wurde zum ersten Mal 1901 verliehen, damals an den deutschen Bakteriologen Emil von Behring für seine Forschungen zur Heilserumbehandlung mit Antitoxinen, die eine Therapie gegen Diphtherie ermöglichten.
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