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Kein Bock auf Böcke

Von Pierre Deason-Tomory
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Ethel Smyth dirigiert die Metropolitan-Police-Band für ihre Komposition »The March of the Women«

Möchte eine Frau eine Laufbahn beim Radio einschlagen, muss sie sich in unmögliche Situationen begeben. Der Weg zum Volontariat führt in der Regel über ein Praktikum, und um dieses erfolgreich zu absolvieren, werden frau drei Qualitäten abverlangt: gute Leistungen, ein kurzer Rock und eine volle Bluse. Wenn es da oder dort fehlt, kann dies eventuell durch totale Unterwürfigkeit oder die Protektion eines Gönners ausgeglichen werden. Es ist ein altes Klischee, dass in der Medienbranche missbraucht und prostituiert wird, aber leider gehört es zu der Sorte Klischees, die massenhaft nachgeahmte Realität werden. Das trifft nach meiner Erfahrung auf den Privatfunk ebenso zu wie auf den öffentlich-rechtlichen.

Bei einigen Freien Radios sind geschützte Räume geschaffen worden, in denen Mädchen, junge Frauen und queere Jugendliche lernen können, Radio zu machen, ohne beim Praktikantenporno mitspielen zu müssen. Radio Orange 94.0 in Wien hat eine Mädchen*redaktion, die professionell angeleitet, aber eigenverantwortlich Programme produziert. Diese bietet am Sonnabend von elf bis 15 Uhr einen Einstiegsworkshop an, da wird Gesprächsführung, Aufnahmetechnik und Sendungmachen ausprobiert. Die Teilnahme ist kostenlos, Anmeldung unter maedchenredax@o94.at. Unabhängig von diesem Termin ist der Einstieg in die Redaktion jederzeit möglich, und was dem dann folgt, könnte eine lebenslange Berufung werden.

Die Programmvorschläge beginnen mit Verblödung im Stil der Zeit: In den »Dimensionen« wird der »Brain Rot« behandelt, die kognitive Erosion durch Social-Media-Nutzung (Di., 19.05 Uhr, Ö 1). »In der Grauzone« ist ein Feature von Jule Hoffmann, die im Kulturbetrieb auf stillen Machtmissbrauch und lautes Schweigen gestoßen ist (Di., 19.15 Uhr, DLF). Im mitteldeutschen Kulturradioersatz beginnt die 17teilige Lesung von Annett Gröschners jüngstem Roman  »Schwebende Lasten«, eingesprochen von Michaela Winterstein (C. H. Beck 2025, Mi., 9.04 und 19.04 Uhr, MDR Kultur).

Auch der als Provinzpoet gestartete Autor Heinz Strunk hat Neues veröffentlicht, eine Kurzkatastrophensammlung, deren Titel »Kein Geld Kein Glück Kein Sprit« kein Komma kennt; daraus liest Till Firit (Do., 11.05 Uhr, Ö 1). Direkt in den Knast führt ein »Bayern 2-Radiofeature« von Isabell Beer und Isabel Ströh; sie waren zuvor undercover eingetaucht in »Das Vergewaltigernetzwerk« (Sa., 13.05 Uhr, So., 20.03 Uhr). Die Recherche für das Stück »Reihe 18 plus!« fand im Gelsenkirchener Stahlwerk statt, in dem Kathi, die einzige Frau unter den harten Jungs, ihren Mann steht (Sa., 18.05 Uhr, DLF Kultur, So., 20.05 Uhr, DLF).

Das Opernhaus Wuppertal hat eine Rarität eingespielt, das Musikdrama »Der Wald« der englischen Komponistin Ethel Smyth (Sa., 19.05 Uhr, DLF). Im Schweizer Radio schlägt sich derweil Hörspielmaestro Ulrich Bassenge in die Büsche, denn »Im Wald, da sind die Räuber«, die Banken berauben oder – schlimmste aller Sünden – welche gründen (SRF 2009, Sa., 20 Uhr, SRF 2 Kultur).

Bravo, Applaus, Bussi-Bussi,  »80 Jahre ›Du holde Kunst‹«! Das Lyrikprogramm auf Ö 1 gibt es seit dem 14. Oktober 1945, zum österreichischen Radiorekord gratulieren am Sonntag u. a. Sarah Kirsch, Rose Ausländer, Ossip Mandelstam, Rudolf Borchardt und Mascha Kaléko (8.15 Uhr). Letzter Programmvorschlag dieser Ausgabe ist Stefan Zweigs Romanfragment »Rausch der Verwandlung (1/2)« als Hörspiel über die wenig huldvolle Karambo­lage einer Christel von der Post mit den feinen Herrschaften (BR 1986, So., 15.05 Uhr, Bayern 2).

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