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Aus: Ausgabe vom 07.10.2025, Seite 9 / Kapital & Arbeit
Regierungsprogramm in Schulen

Mieses Schulessen in Indonesien

Risikobehaftetes Regierungsprogramm umgesetzt, Lebensmittelvergiftungen häufen sich
Von Thomas Berger
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Gut gedacht, schlecht gemacht: Kostenloses Schulessen für Kinder in Bandung, Westjava

Mehr als 9.000 Fälle von Lebensmittelvergiftungen, so jüngste Medienberichte, hat es seit Jahresbeginn im Rahmen des indonesischen Programms für freies Mittagessen an Schulen gegeben. Schon kurz nach dem Auftakt im Januar kam es zu ersten Vorfällen, die das ehrgeizige Projekt, für das die Regierung allein 2025 umgerechnet gut zehn Milliarden US-Dollar ausgibt, gleich in die Negativschlagzeilen brachten. In jüngster Zeit mehrten sich solche Vorfälle erneut.

Rund 1.000 Schulkinder sollen von den aktuellen Problemen betroffen sein. Nicht nur wurden die Krankenhäuser in mehreren Gebieten Westjavas von den jungen Patienten und ihren Eltern regelrecht überrannt. In einigen Orten mussten sogar Notlager in Sporthallen eingerichtet werden, weil die Betten in den Kliniken nicht für alle ausreichten. Allein bei einem Vorfall im Westen der Metropole Bandung am 22. September berichteten 470 Mädchen und Jungen nach dem Mittagessen über diverse Beschwerden. Es ging nicht nur um leichte Übelkeit. Kinder erbrachen sich, klagten über heftige Magenkrämpfe, Benommenheit und Atemprobleme. In den beiden nächsten Tagen folgten fast 600 weitere Schüler mit ähnlichen Symptomen.

Mangelnde Hygiene bei der Essenszubereitung gilt als ein Faktor dafür. Doch ist das keinesfalls der einzige. In Mamuju (Provinz Westsulawesi) soll etwa verdorbene Fertigsoße mit abgelaufenem Haltbarkeitsdatum der Auslöser für einen Ausbruch massenhafter Lebensmittelvergiftung gewesen sein, heißt es in einem Beitrag der öffentlich-rechtlichen ABC aus dem Nachbarland Australien. In einem anderen Fall wurde Kindern als Teil ihres Mittagsmenüs Hai serviert. Auch dieser war nicht mehr frisch, was sich in diesem Fall als besonders schwerwiegend erwies. Denn ohne adäquate Kühlung bildeten sich gefährliche Quecksilberverbindungen. Überhaupt Hai auf die Speisekarte zu setzen, sei ein grober Fehler gewesen, räumten die lokalen Behörden später ein.

Makan Bergizi Gratis (MBG) heißt das großangelegte Programm, das der seit fast einem Jahr regierende Präsident schon im Wahlkampf angekündigt hatte. Dass allein bei der riesigen Dimension nicht alles ganz reibungslos laufen dürfte, steht außer Frage. Doch gerade die Vielzahl gravierender Probleme in den vergangenen Monaten hat die Kritik deutlich verstärkt. Die Regierung habe beim Milliardenprojekt schlicht auf zu schnelle Expansion gesetzt. Dabei habe man aber nicht ausreichend auf Qualitätskontrolle geachtet, lautet der zentrale Vorwurf. Schon jetzt erhalten laut Angaben landesweit zwischen 20 und 30 Millionen Kinder das kostenlose Mittagessen. Einige der Schulen in Westjava waren laut Angaben von Eltern gegenüber Reuters erst seit zwei Wochen dabei. Die Freude über die Neuerung, gerade bei armen Familien, die die Hauptzielgruppe sind, ist Besorgnis gewichen.

Sri Raharjo, Professor für Lebensmitteltechnologie an der Gadjah-Mada-Universität (UGM), einer der ältesten Universitäten des Inselstaates, sieht das kritisch. Es sei völlig überhastet gewesen, schon binnen des ersten Jahres bis zu 80 Millionen Kinder erreichen zu wollen. Beim Aufbau von 30.000 Kommunalküchen seien Qualitätsstandards auf der Strecke geblieben, heißt es von ihm in einem UGM-Beitrag. Teils nicht durcherhitztes Essen, toxische Substanzen und Bakterien seien die Folge. Zudem fehle es der neu geschaffenen Kontrollbehörde National Nutrition Agency (BGN) derzeit noch an Personal. Das Nachrichtenportal Channel News Asia aus Singapur spricht in einem Kommentar zugespitzt von einem »Risikorezept« – das System sei mit den bisherigen Zielvorgaben schlicht überfordert.

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