Handschlag mit Taliban
Von Kristian Stemmler
Die Kontakte der Bundesregierung zur offiziell von Berlin nicht anerkannten Taliban-Regierung in Afghanistan werden enger. Zwei Vertreter des Bundesinnenministeriums haben in Afghanistan mit den Taliban über regelmäßige Abschiebungen von verurteilten Straftätern verhandelt, wie das Magazin Spiegel am Sonntag berichtete. Bei den Gesprächen in Kabul, die von einer Ministeriumssprecherin bestätigt wurden, sei es um »technische Details der Rückführungen« gegangen. Offiziell unterhalten die beiden Länder keine diplomatischen Beziehungen. Die Taliban kontrollieren nach 20jähriger Präsenz von NATO-Truppen seit August 2021 wieder das gesamte Land.
Nach Informationen des Spiegels steht das Innenministerium kurz vor dem Abschluss einer Vereinbarung mit den Taliban; voraussichtlich könnten vor diesem Hintergrund noch in diesem Jahr weitere Abschiebungen nach Afghanistan stattfinden. Zwei Beamte der Bundespolizeiabteilung des Innenressorts haben sich demnach mehrere Tage in Kabul aufgehalten, sich dort mit Vertretern der Taliban-Behörden getroffen und den internationalen Flughafen besichtigt. Bei den Gesprächen sei es unter anderem darum gegangen, ob und wie Bundespolizisten die Abschiebeflieger begleiten können und an wen sie die Rückkehrer nach der Landung übergeben.
Die ARD berichtete, der für die Bundespolizei zuständige Referatsleiter habe am vergangenen Mittwoch in Kabul verhandelt. An dem Treffen hat demnach Mohammad Nabi Omari teilgenommen, erster Stellvertreter von Sirajuddin Haqqani, Innenminister der Taliban-Regierung. Die Gespräche seien gut und positiv verlaufen, erklärte Abdul Mateen Qani, Sprecher des Innenministeriums der Taliban, gegenüber dem ARD-Studio Neu-Delhi. Noch vor dem Treffen hatte Qani gegenüber dem Studio betont, die Rücknahme von afghanischen Straftätern aus Ländern wie Deutschland sei für die Taliban ein wichtiges Thema. Afghanen, die im Ausland straffällig würden, schadeten dem Ruf Afghanistans.
Bereits im September hat das Bundesinnenministerium dem Spiegel zufolge mit Gesandten der Taliban im katarischen Doha eine Vereinbarung »per Handschlag« erreicht, die regelmäßige Abschiebungen nach Afghanistan möglich machen soll. Die Vertreter der Taliban sollen demnach zugesichert haben, dass die Rückkehrer in ihrer Heimat keine Strafverfolgung oder gar die Todesstrafe fürchten müssten. Auch sollen sie keine weiteren konkreten Gegenleistungen von den deutschen Beamten verlangt haben.
Dem Bundesinnenministerium gehe es vor allem darum, heißt es in dem Beitrag weiter, Afghanen, die schwere Straftaten begangen haben, und »Gefährder« in Einzelfällen schnell mit Linienflügen in ihre Heimat abschieben zu können. So solle vermieden werden, dass es zu langwierigen juristischen Auseinandersetzungen komme oder sich Personen durch Untertauchen der Abschiebung entziehen könnten. Denkbar seien aber auch weitere Sammelflüge mit Chartermaschinen. Mitte Juli waren bereits 81 afghanische Staatsangehörige mit einem Charterflug in ihr Herkunftsland abgeschoben worden.
Kritik am Vorgehen des Innenministeriums kam von Clara Bünger, fluchtpolitische Sprecherin der Fraktion Die Linke im Bundestag. Wenn es darum gehe, Menschen ohne sicheres Aufenthaltsrecht aus dem Land zu schaffen, kenne »diese Bundesregierung keine roten Linien mehr«, erklärte sie am Montag gegenüber jW. Die Regierung schrecke auch nicht davor zurück, »Deals mit einem Regime zu machen, das Mädchen und Frauen entrechtet und Menschen öffentlich auspeitschen und hinrichten lässt«.
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