Gegründet 1947 Donnerstag, 20. November 2025, Nr. 270
Die junge Welt wird von 3063 GenossInnen herausgegeben
Aus: Ausgabe vom 06.10.2025, Seite 9 / Kapital & Arbeit
Arbeitsmigration

Massenexodus mit drastischen Folgen

Grenzkonflikt drängt Großteil kambodschanischer Arbeitsmigranten zur Flucht aus Thailand
Von Thomas Berger
9.jpg
Hunderttausende Menschen wurden durch die bewaffnete Eskalation des Konflikts zur Flucht gezwungen

Neben Dutzenden Toten und etlichen Verletzten gehörten auch sie zu den Opfern der gewaltsamen Eskalation des thailändisch-kambodschanischen Grenzkonflikts Ende Juli: Kambodschaner, die im reicheren Nachbarland Arbeit gefunden hatten. Viele von ihnen sind geflohen, als der tagelange gegenseitige Beschuss in mehreren Abschnitten der nicht festgelegten Trennlinie ausbrach. Diejenigen, die geblieben sind, sitzen in Thailand fest und sind zunehmendem nationalistischen Misstrauen ausgesetzt.

Die Zahl der Arbeitsmigranten aus dem südöstlichen Nachbarland betrug vor dem neuen Ausbruch des alten Konflikts etwa 1,2 bis 1,3 Millionen. Vom 24. Juli, als die fünftägigen Luftangriffe begannen, bis zur Vereinbarung der noch immer haltenden Waffenruhe, sollen 900.000 von ihnen geflohen sein. Das schafft auf beiden Seiten Probleme: Thailand fehlen in bestimmten Branchen wichtige Arbeitskräfte. Und in Kambodscha gibt es für die Zurückgekehrten, die nicht unbedingt freiwillig die Heimat verlassen hatten, nicht ausreichend Jobs. Zumindest nicht kurzfristig. Schließlich waren es gerade die fehlenden Perspektiven in dem Land, die sie über die Grenze nach Thailand getrieben hatten.

Eine neue Arbeitskräftevereinbarung mit Bangkok sei derzeit nicht geplant, sagte Sun Mesa, Sprecher des Arbeitsministeriums in Phnom Penh, gegenüber dem auf Wirtschaftsthemen spezialisierten kambodschanischen Portal Kiripost. Ministeriumsangehörige seien dabei, die Rückkehrer nach Kräften zu unterstützen. Von Mitte Juni bis August hätten sie rund 400 Kommunen landesweit besucht, um sich ein Bild von der Lage zu verschaffen und Vermittlungshilfe zu bieten.

Etliche der Migranten lebten schon mehr als ein Jahrzehnt im Nachbarland. Doch angesichts der immer feindseligeren Stimmung, der verbalen Übergriffe, in Einzelfällen gar physischen Drohungen durch einheimische Arbeitskollegen, traten sie den Heimweg an – trotz der ungewissen Zukunftsaussichten. »Ich glaube nicht, dass Kambodscha in der Lage ist, alle in den eigenen Arbeitsmarkt zu integrieren«, sagte Roisai Wongsuban, Berater beim thailändischen NGO-Verbund Migrant Worker Group, gegenüber dem Singapurer Nachrichtenportal Channel News Asia.

Von einer »historisch nie zuvor erlebten Fluchtwelle« sprach an gleicher Stelle Khun Tharo, Programmleiter beim Centre of Alliance of Labour and Human Rights (Central) in Phnom Penh. Alle Zahlen sind überdies mit Vorsicht zu genießen, da nur ein Teil der Arbeiter über gültige Papiere verfügt. Schließe man alle Undokumentierten ein, könnten vor dem Konflikt sogar 1,5 bis zwei Millionen kambodschanische Arbeitsmigranten in dem Land gelebt haben, so Sompong Srakaew, Direktor der Labour Rights Promotion Network Foundation in Thailand.

Thailändische Unternehmen seien bemüht, noch ausharrende kambodschanische Beschäftigte zu halten. An anderen Stellen sind die Ausfälle allgegenwärtig und staatliche Stellen bestrebt, für Linderung zu sorgen. So hat man in Bangkok ein neues Anwerbeprogramm für Sri Lanka aufgelegt. Die ersten 10.000 Arbeitsmigranten aus dem südasiatischen Inselstaat werden bereits erwartet, so ein Ministeriumsvertreter gegenüber der Agentur Reuters. Die 30.000 bisherigen Bewerber füllen aber nur einen kleinen Teil der Lücken, die es derzeit im Bausektor, der Fischerei, der Landwirtschaft und anderen Branchen gibt. Auch Menschen aus Nepal oder Bangladesch kämen als Ersatz in Betracht, heißt es in Bangkok.

Tageszeitung junge Welt am Kiosk

Die besondere Berichterstattung der Tageszeitung junge Welt ist immer wieder interessant und von hohem Nutzwert für ihre Leserinnen und Leser. Eine gesicherte Verbreitung wollen wir so gut es geht gewährleisten: Digital, aber auch gedruckt. Deswegen liegt in vielen tausend Einzelhandelsgeschäften die Zeitung aus. Überzeugen Sie sich einmal von der Qualität der Printausgabe. 

links & bündig gegen rechte Bünde

Jetzt den kostenlosen jW-Newsletter abonnieren – täglich das Beste aus der Tageszeitung junge Welt, direkt in Ihr Postfach. Ihre E-Mail-Adresse wird natürlich niemals an Dritte weitergegeben.

  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Heinrich H. aus Stadum (5. Oktober 2025 um 22:15 Uhr)
    Grobe Luftlinie zweieinhalbtausend Kilometer von Sri Lanka, zweitausend Kilometer von Nepal und eineinhalbtausend Kilometer von Bangladesch: Da kann man nicht so einfach abhauen. Erleben die thailändischen ArbeiterInnen die kambodschanischen als lohndrückende KonkurrentInnen? Was liegt dem Konflikt zugrunde? Konfliktlinien zwischen den Staaten/Nationen?

Ähnliche:

  • Der Vorsitzende der Volkspartei, Natthaphong Ruengpanyawut, in B...
    02.09.2025

    Nachfolger gesucht

    Thailand: Nach Absetzung von Premierin bringen sich Kandidaten in Stellung und buhlen um Opposition anführende Volkspartei
  • Trotz angekündigter Waffenruhe: Kambodschanische Arbeitsmigrante...
    29.07.2025

    Waffenruhe vereinbart

    Thailand und Kambodscha verständigen sich auf Feuerpause

Mehr aus: Kapital & Arbeit