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Aus: Ausgabe vom 06.10.2025, Seite 9 / Kapital & Arbeit
Italien

Italien will Streikende bestrafen

Regierung sieht Kampftag mit Millionenbeteiligung als illegitim an. Rechter Vize droht mit Sanktionen bei weiteren Arbeitsniederlegungen
Von Pierrot Brotons
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Massenmobilisierung setzt die Regierung Meloni unter Druck: Kundgebung in Neapel am Freitag

Die Bilanz lässt sich sehen: Mehr als zwei Millionen Menschen haben am Freitag an rund 100 Protesten gegen die israelische Aufbringung der »Global Sumud Flotilla« in ganz Italien teilgenommen. »Nach den bisher vorliegenden Daten«, so der linke Gewerkschaftsverband CGIL am Freitag nachmittag, »liegt die durchschnittliche Beteiligung am Generalstreik landesweit bei etwa 60 Prozent.« Bereits am Mittwoch abend hatten Bürgerinnen und Bürger – wie auch in anderen Städten weltweit – prompt auf die illegale Beschlagnahmung mehrerer Schiffe, auf denen sich auch 40 Italiener befanden, der »Flotilla« reagiert. Tausende kamen zusammen, um gegen die Kaperung zu protestieren, und die CGIL kündigte gemeinsam mit der Basisgewerkschaft USB einen Generalstreik für den 3. Oktober an. Nachdem am Freitag morgen das letzte der 42 Boote abgefangen worden war, folgten unzählige Menschen dem Aufruf zu Protest und Arbeitsniederlegung. Die Gewerkschaften werfen der Regierung vor, keinen Druck auf Israel auszuüben, um den Krieg zu beenden und einen ungehinderten Zugang von Hilfsgütern nach Gaza zu ermöglichen.

Auf staatlicher Ebene wurde zunächst über die Rechtmäßigkeit des Generalstreiks diskutiert. Laut Gesetz bedarf es einer zehntägigen Frist zur Durchführung. Der Verstoß Israels gegen Menschenrechte, internationale Konventionen und die Charta der Vereinten Nationen erlaubt es den Gewerkschaften in Italien jedoch, einen Generalstreik ohne zehntägige Ankündigung auszurufen. CGIL-Generalsekretär Maurizio Landini sprach am Freitag über die Legitimität und betonte die Pflicht der Bürgerinnen und Bürger zu demonstrieren: »Die Flotilla hat die Verfassung und internationales Recht verteidigt.« Weiter sagte er: »Die Regierung sollte stolz auf diese Demonstrationen sein, denn sie verteidigt die Menschlichkeit, die Solidarität und die anständigen Menschen, die auch die Ehre dieses Landes verteidigen wollen. Heute auf die Straße zu gehen, um zu sagen, dass der Völkermord aufhören muss, dass man nicht in Waffen, sondern in Gesundheit und Bildung investieren und den jungen Menschen zuhören muss. Dieser Tag macht unserem Land alle Ehre.« Von der Opposition meldete sich der Abgeordnete Riccardo Ricciardi (M5S) zu Wort. Er kritisierte das Vorgehen der Regierung und verteidigte die Aktion der Flotilla. Die Parteivorsitzende des sozialdemokratischen PD, Elly Schlein, sprach von »einem schönen Tag der Mobilisierung mit einer hohen Beteiligung. Es zeigt, dass Italien besser ist als diejenigen, die es regieren.«

Italiens ultrarechte Ministerpräsidentin Giorgia Meloni erklärte am Rande eines EU-Treffens lapidar: »Ich hätte erwartet, dass sie zumindest bei einem so wichtigen Thema keinen Generalstreik an einem Freitag ausgerufen hätten, denn ein langes Wochenende und eine Revolution passen nicht zusammen.« Ihr Stellvertreter von der rechten Lega, Matteo Salvini, reagierte schärfer und sprach von einem »politischen Krieg«, den die CGIL begonnen habe. Er drohte mit Blick darauf, dass »es bis zum Jahresende noch 40 weitere Streiks geben wird«, die Regierung wisse, wie sie darauf reagieren müsse. »Wer streikt, muss mit Sanktionen rechnen!«

Die nächsten Tage werden zeigen, ob die Massenmobilisierungen Meloni zum Einlenken zwingen. Vier italienische Parlamentarier, die mit der »Flotilla« unterwegs waren, sind unterdessen nach Bemühungen von Außenminister Antonio Tajani nach einem Tag Haft in Israel wieder nach Italien zurückgekehrt. Er hatte seinen israelischen Amtskollegen Gideon Saar nach Angaben von ANSA mehrmals kontaktiert und die sofortige Freilassung der Abgeordneten gefordert.

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