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Aus: Ausgabe vom 06.10.2025, Seite 8 / Ansichten

Heilsbringer des Tages: Boris Johnson

Von Daniel Bratanovic
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Das Mehrheitswahlrecht ist eine für die Herrschaft ziemlich komfortable Angelegenheit. Es gibt nicht viel auf einen repräsentativen Abdruck des Volkswillens, sortiert mithin verlässlich störendes Politpersonal kleinerer Parteien aus und sichert so ungefährdete Mehrheiten in den Parlamentskammern. Mehrheitswahlrecht schafft in der Regel ein Zweiparteiensystem. Das gilt auch für Großbritannien, regionale Besonderheiten einmal ausgeklammert. Seit mehr als 100 Jahren wechseln sich Tories und Labour darin ab, die Mehrheit im House of Commons zu stellen.

Doch inzwischen erodiert diese über Jahrzehnte gewachsene Stabilität. Labour, mit der Ausschaltung der Parteilinken wieder regierungstauglich getrimmt, legte nach dem deutlichen Wahlsieg vom Sommer 2024 eine so miserable Performance hin, dass die Zustimmungswerte in den Keller rauschten. Keir Starmer ist demoskopisches Senkblei. Von dieser beachtlichen Leistung allerdings kann der ewige Konkurrent nicht profitieren: Die Tories stehen noch schlechter da. Die Rede geht von einer historischen Krise, von der Gefahr, in die Bedeutungslosigkeit abzugleiten.

In dieser Lage halten die britischen Konservativen ihren Parteitag ab. Dass sich deren Chefin Kemi Badenoch mit der Ankündigung, Britannien aus der Europäischen Menschenrechtskonvention führen zu wollen, an der abscheulichen Posse mit dem Titel »Wer ist der härteste Abschieber im Land?« beteiligt, hilft da nicht. Nigel Farage und dessen Rechtspartei Reform UK bleiben in Führung, Badenochs Tage an der Spitze der Tories wiederum sind gezählt. Über dem Parteitag schwebt ein anderer Geist. Eine Mehrheit der konservativen Wählerschaft wünscht sich Boris Johnson zurück. Der »Brexit«-Mann, das Coronafeierbiest, als erneuter Premier, das wäre konsequent. Johnson dürfte dem Land, dessen Abstieg die Tory-Chefin Margaret Thatcher vor gut 40 Jahren systematisch eingeleitet hatte, endgültig den Garaus machen.

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