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Aus: Ausgabe vom 06.10.2025, Seite 5 / Inland
Kahlschlag bei Autozulieferer

ZF Friedrichshafen setzt Rotstift an

Dicke Kröten für Belegschaft: Kosten senken mit Stellenabbau und Lohneinbußen
Von Gudrun Giese
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Produktion eines Acht-Gang-Automatgetriebes bei ZF Friedrichshafen

Beim Automobilzulieferer ZF Friedrichshafen kriselt es seit längerem. Seit dem 1. Oktober ist zumindest die Auslagerung der Antriebssparte vom Tisch. Allerdings steht nun auch fest, wie der im vergangenen Jahr begonnene Abbau von insgesamt 14.000 Stellen fortgesetzt wird: Bis 2030 sollen 7.600 Arbeitsplätze in der Antriebssparte »Division E« gestrichen sein.

Betriebsbedingte Kündigungen soll es nicht geben, sondern eine Schrumpfung über Altersteilzeit und ein Abfindungsprogramm. Darauf einigten sich der neue ZF-Vorstandschef Mathias Miedreich mit dem Gesamtbetriebsrat und der Gewerkschaft IG Metall, wie tagesschau.de vergangenen Mittwoch meldete. Miedreichs Vorgänger Holger Klein musste Ende September das Unternehmen auch wegen der Konflikte mit dem Betriebsrat über die Zukunft der Antriebssparte verlassen. Seit bekannt geworden war, dass ZF die »Division E« auslagern und nahezu jede vierte Stelle in deutschen Niederlassungen abbauen wollte, hatten IG Metall und Beschäftigtenvertreter wiederholt dagegen demonstriert. Miedreich steht offenkundig für die Rückkehr zum »sozialpartnerschaftlichen« Kurs, bei dem Betriebsräte und Gewerkschaft für kleine Zugeständnisse im Gegenzug dicke Kröten schlucken. Für den Erhalt der »Division E«, die elektrische wie hybride Antriebe sowie Verbrenner entwickelt und produziert, zahlt die Belegschaft nicht allein mit dem Wegfall von 7.600 Stellen bis 2030, sondern auch mit Lohneinbußen und Arbeitszeitreduzierung. Um mehr als 500 Millionen Euro sollen die Kosten bis 2027 gesenkt werden.

ZF wolle »die Wettbewerbsfähigkeit der Bestandsprodukte mit einem Umbau aus eigener Kraft wiederherstellen«, hieß es aus dem Unternehmen. Die Antriebstechnik soll weiter Bestandteil des Unternehmens bleiben, wobei Vorstandschef Miedreich auch Partnerschaften mit anderen Firmen anstrebt, um Kosten zu senken. Außerdem werde die Entwicklung einiger Produkte eingestellt. Es soll zudem geprüft werden, ob Elektromotoren günstiger zugekauft werden können. Das sogenannte Sparprogramm enthalte keinen zusätzlichen Stellenabbau, betonte ein ZF-Sprecher. Allerdings würde die für April 2026 vereinbarte tarifliche Entgelterhöhung von 3,1 Prozent um ein halbes Jahr verschoben. Außerdem sollen die Beschäftigten der »Division E« in Deutschland und ihre Kollegen im für Verwaltung, Forschung und Entwicklung zuständigen »Betrieb Z« an den Standorten Schweinfurt und Friedrichshafen wöchentlich rund sieben Prozent weniger arbeiten – mit entsprechender Gehaltskürzung. Es wird nicht nur das Angebot der Altersteilzeit fortgesetzt, sondern ein Abfindungsprogramm gestartet, das um Qualifizierungs- und Transfermaßnahmen ergänzt wird. Der Weg dahin sei »mit harten Einschnitten für unsere Mitarbeitenden« verbunden, so Miedreich.

Achim Dietrich, Vorsitzender des ZF-Gesamtbetriebsrates, ist mit dem »Sparprogramm« einverstanden: Wichtig sei es gewesen, die Antriebssparte als Herzstück von ZF im Betrieb zu halten und die Ausgliederung der »Division E« abzuwenden. »Der Deal ist für uns völlig in Ordnung«, sagte er laut dpa. Ähnlich äußerte sich Barbara Resch, Bezirksleiterin der IG Metall Baden-Württemberg und stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende von ZF. Das Bündnis aus Management, Gewerkschaft und Gesamtbetriebsrat habe eine klare Perspektive geschaffen. »Als Arbeitnehmerseite haben wir Zugeständnisse gemacht, das stimmt. Dafür erwarten wir jetzt, dass ZF als Beschäftigungsmotor und Garant für gute Arbeitsbedingungen zukunftsfest aufgestellt wird.« Kein Wort darüber, dass das Unternehmen mit dem Kauf anderer Automobilzulieferer viel Geld vergeudet hat. So sollen sich die Nettoschulden von ZF Ende Juni auf etwa 10,5 Milliarden Euro belaufen haben. Dafür darf nun die Belegschaft »sparen«.

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