Ladakh fordert Autonomie
Von Satyajeet Malik
Nur langsam kehrt der Alltag zurück nach Ladakh. Bis zum Freitag hatte es eine Woche lang eine strikte Ausgangssperre sowie Internetsperrung in der indischen Himalajaregion gegeben. Hintergrund sind die heftigen Proteste am 24. September in der Stadt Leh, bei denen vier Menschen von Einsatzkräften erschossen und weitere 90 verletzt wurden. Die Polizei hatte auch den bekannten Klimaaktivisten Sonam Wangchuk verhaftet. Nun wurde eine Überprüfung der zivilen Todesopfer angeordnet. Der Untersuchungsbericht soll innerhalb eines Monats vorgelegt werden.
Seit sechs Jahren fordert die Bevölkerung von Ladakh, wie auch bei den Protesten der vergangenen Woche, einen eigenen Bundesstaat mit einer vollwertigen Legislative. Diese Forderung ist eine Folge der Umstrukturierung des ehemaligen Bundesstaates Jammu und Kashmir im August 2019. Im Rahmen dieses Schrittes hatte die indische Zentralregierung der Region ihre Autonomie entzogen und sie zweigeteilt, in Jammu und Kashmir sowie Ladakh. Sie unterstehen seither direkt der Regierung in Neu-Delhi. Die Zentralregierung entzog Ladakh sogar die Möglichkeit eigener Gesetzgebung. Der Schritt wurde mit der Stärkung der »Integration, der Beseitigung des Terrorismus und der Einleitung der Entwicklung« für die vor allem von Muslimen bewohnte Region begründet. Anfangs begrüßten viele in Ladakh diesen Schritt, da sie davon ausgingen, dass die Teilung des Bundesstaates zu mehr Autonomie für Ladakh gegenüber Kaschmir führen würde. Sechs Jahre später ist jedoch der Unmut groß. So hat die Zentralregierung auch ihre wirtschaftlichen Versprechen nicht eingehalten.
Der Protest zur Wiedereinführung der Bundesstaatlichkeit hatte sich bereits im September vergangenen Jahres verstärkt, als mehr als 100 Aktivisten unter der Führung von Wangchuk einen Marsch von Leh zur Hauptstadt Neu-Delhi unternahmen. Dieser endete mit der Festnahme des gesamten Kontingents. Frustriert über die Missachtung ihrer Forderungen, starteten verschiedene Gruppen, darunter der Leh Apex Body (LAB) und die Kargil Democratic Alliance (KDA), in diesem September einen Hungerstreik in Leh. Als der Streik am Mittwoch vergangener Woche dann seinen 15. Tag erreichte, führten Tausende aus Solidarität eine friedliche Protestaktion durch. Wie auf Videos zu sehen ist, kam es dabei jedoch zu einer kleinen Explosion inmitten der friedlichen Demonstranten. Augenzeugenberichten zufolge soll die Polizei daraufhin das Feuer eröffnet haben, was zur Eskalation führte. Auch ein Büro der hindunationalistischen Regierungspartei Bharatiya Janata Party ging in Flammen auf.
Sonam Wangchuk brach seinen Protest infolgedessen zwar ab, verhaftet wurde der prominente Aktivist jedoch trotzdem. Dabei berief sich der Staat auf das berüchtigte Nationale Sicherheitsgesetz, das die Inhaftierung von Personen erlaubt, die als Gefahr für die nationale Sicherheit angesehen werden. Der Vorwurf lautet nun »ausländische Verschwörung«, die von Indiens Nachbarn, darunter Pakistan und China, ausgeheckt worden sei. Der »Beweis«: Im Februar hatte Wangchuk an einer Klimakonferenz in Pakistan teilgenommen. Insgesamt nahmen die Einsatzkräfte im Zusammenhang mit den Protesten rund 50 Personen fest. Die Zentralregierung lud zudem Vertreter der verschiedenen regionalen Organisationen zu einem Dialog ein, was LAB und KDA jedoch ablehnten. Sie forderten statt dessen die bedingungslose Freilassung aller Führer der Bewegung und die Aufhebung der Ausgangssperre.
Vor einer weiteren Eskalation durch Neu-Delhi warnen nun auch Vertreter von Politik und Militär. »Ladakh ist eine hochsensible Region, die an beide Rivalen Indiens grenzt – China und Pakistan. Wir müssen sicherstellen, dass diese Region stabil bleib«, sagte etwa Generalleutnant Deependra Singh Hooda, der von 2012 bis 2016 das Nordkommando der indischen Armee leitete, wie die BBC am Freitag berichtete.
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