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Aus: Ausgabe vom 04.10.2025, Seite 4 / Inland
Friedensbewegung

Propaganda auseinandernehmen

Krieg und Frieden als Klassenfrage: Zwei Kundgebungen der Friedensbewegung in Berlin und Stuttgart
Von Carmela Negrete, Berlin
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Demonstranten am Freitag auf dem Stuttgarter Schlossplatz

Ein breites Bündnis von über 400 Organisationen und Gruppen, vor allem aus der Friedensbewegung, hat am Freitag in Berlin und Stuttgart den Protest gegen Aufrüstungs- und Kriegskurs auf die Straße getragen. Unter dem Motto »Nie wieder kriegstüchtig! Stehen wir auf für Frieden!« wurde unter anderem für ein Ende des Hochrüstungskurses, eine »neue Entspannungspolitik für Europa«, für Abrüstung, gegen die geplante Stationierung von US-Mittelstreckenwaffen in Deutschland, gegen die Wehrpflicht und gegen die fortschreitende Militarisierung der Gesellschaft demonstriert.

In Berlin hatten sich am frühen Nachmittag nach Veranstalterangaben rund 20.000 Menschen auf dem Bebelplatz eingefunden – zahlreiche Aktive aus der Friedensbewegung, die aus dem gesamten Norden und Osten der Republik angereist waren. Man stehe hier für ein »unüberhörbares Nein« zur »völlig irrsinnigen Aufrüstung«, zu Waffenexporten und zu den »Kriegen in aller Welt«, sagte Jutta Kausch-Henken als Vertreterin des Organisationsbündnisses zu Beginn. Die EU-Abgeordnete Özlem Demirel (Die Linke), die bereits am vergangenen Wochenende bei der Großdemonstration gegen den Gazakrieg gesprochen hatte, forderte die Bundesregierung auf, ihre »Komplizenschaft an diesem Genozid« zu beenden. Sie forderte einen »echten Friedensplan« für den Nahen Osten, und das heiße auch, dass die Bundesrepublik »endlich das Selbstbestimmungsrecht der Palästinenserinnen und Palästinenser anerkennen muss«. Es sei »Zeit für eine starke Friedensbewegung«, die die Narrative der »Kriegstüchtigkeit« »auseinandernimmt«, rief sie am Ende ihrer Rede aus.

Der SPD-Bundestagsabgeordnete Ralf Stegner sagte, im Laufe des letzten Jahres sei »alles noch schlimmer geworden«. Es gebe weltweit 21 Kriege und 150 »militärische Auseinandersetzungen«. Manche würden beachtet, andere nicht. »Kriegswirtschaft ist Todeswirtschaft« und könne nicht die »Lokomotive der Industriepolitik« sein. Seine Generation, so Stegner, schulde den Kindern und Enkeln aber, »dass auch sie in Frieden und Wohlstand aufwachsen können«. Der Sozialdemokrat ging insbesondere auf den Krieg in der Ukraine ein. Es habe die Behauptung gegeben, dass, wenn man nur genug Waffen liefere, »Putin an den Verhandlungstisch gezwungen« werde. Das Gegenteil sei eingetreten. Er sei dafür, »Beistand« zu leisten, damit sich die Ukraine verteidigen könne. Aber die »militärische Logik« habe »versagt«. Als der damalige SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich im vergangenen Jahr gefordert habe, den Ukraine-Krieg einzufrieren, sei er beschimpft worden. Heute sei das die offizielle Position der Bundesregierung – »nur dass die Lage schlechter geworden ist«.

Für das BSW sprach dessen Bundesgeschäftsführer Christian Leye. Über Krieg könne man nicht sprechen, ohne auch über Geld zu sprechen. Die Frage von Krieg und Frieden sei »zuerst und vor allem eine Klassenfrage«; es gehe nicht um »die oder wir, sondern um oben und unten«. Menschen, die nicht aufhörten, von Frieden zu sprechen, würden als »Putin-Versteher« und »Vertreter der Hamas« beschimpft. Auf »Ruhrgebietsdeutsch« könne er in diese Richtung nur sagen: »Ihre Scheißkriege sind nicht unsere Scheißkriege.« Im Bundestagswahlkampf habe niemand über die weiter forcierte Aufrüstung sprechen wollen, »obwohl die Pläne schon in der Schublade lagen«. Eigentlich müsse man »diese Regierung mal schütteln und fragen: Seid ihr denn vollständig wahnsinnig geworden?« Deutschland müsse sich »mehr Frankreich trauen« – »ein bisschen mehr Geist von Rebellion und Aufruhr tut uns gut«.

Die SDAJ-Vorsitzende Andrea Hornung warnte in ihrer Rede davor, dass die Wehrpflicht »Schritt für Schritt per Salamitaktik« eingeführt werden würde. Es gelte, hier »einen Strich durch die Rechnung« zu machen.

Eine aus Hannover angereiste Demonstrantin sagte gegenüber jW, es bedrücke sie sehr, »wie viel Geld jetzt in Aufrüstung gesteckt wird« und »Krieg herbeigeredet« werde. Der von der Bundesregierung verfolgte Kurs sei »erschreckend«. Ein anderer Teilnehmer sagte, ihn beschäftige vor allem die Lage in Gaza. Sein Vater habe ein Konzentrationslager überlebt, Familienangehörige seien in Auschwitz ermordet worden. Er betrachte es als Verpflichtung, sich »für Frieden und die Gleichberechtigung der Völker« einzusetzen. »Juden, Moslems, Palästinenser, Christen, Humanisten« müssten gemeinsam kämpfen, »dass dieser Völkermord in Palästina ein Ende hat«. Die »Solidarität und die Völkerfreundschaft« würden schließlich siegen.

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