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Aus: Ausgabe vom 02.10.2025, Seite 1 / Ansichten

Der Geist des Krieges

USA: Hegseth ­nordet Generäle ein
Von Jörg Kronauer
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Wenn’s nur die dreiste Unverschämtheit gewesen wäre, mit der Pete Hegseth am Dienstag die rund 800 ranghöchsten Militärs seines Landes anrotzte, die er kurzfristig aus aller Welt herbeikommandiert hatte, ohne ihnen auch nur den Grund dafür zu nennen. Wollten die USA künftige Kriege gewinnen, dann müsse Schluss sein mit ungepflegtem Aussehen, mit »langen Haaren« und mit »fetten Generälen«, die nicht mehr so viel Liegestütze und Klimmzüge hinbekämen wie er, zeterte der US-Kriegsminister und ätzte, wer sich dem nicht füge, müsse gehen. Frauen würden lediglich toleriert, wenn sie physisch genauso leistungsfähig seien wie Männer, sonst halt nicht. Die verlotterte Streitmacht benötige endlich wieder Disziplin.

Die blanke Wut, die sich im Verlauf von Hegseths Tirade bei einem Teil der US-Generäle angestaut haben muss, könnte einem völlig egal sein. Nur hat der spätpubertierende Minister mit seinen Kreuzrittertattoos auch politische Vorgaben gemacht, die man sich merken muss. Nummer eins: Die US-Streitkräfte »verteidigen« nicht, sie »führen Krieg«; das ist, darauf legte Hegseth Wert, ein wichtiger Unterschied. Nummer zwei: Soldaten »töten und zerstören«, sie sind »nicht politisch korrekt«, und sie gehören schon gar nicht »zur feinen Gesellschaft«. Nummer drei: Einsatzregeln? Weg damit. Hegseth lehnt sie ebenso ab wie einst in der Hunnenrede Wilhelm II.: »Wir entfesseln unsere Krieger, um unsere Feinde einzuschüchtern, zu demoralisieren, zu jagen und zu töten.«

Wozu das Ganze? Präsident Donald Trump, der sich ebenfalls an die versammelten Offiziere wandte, kündigte an, er werde das Militär zunächst gegen »den inneren Feind« einsetzen – in US-Großstädten, die die Truppen »als Übungsgelände« nutzen sollten; das sei »der innere Krieg«. Aber wofür die Übung? Hegseths Auftritt vor einer riesigen US-Fahne erinnerte US-Beobachter an eine Spielfilmszene, in der General George Patton vor identischer Kulisse die Soldaten auf den D-Day einstimmt. Man weiß: Die USA rüsten gezielt gegen China. Man muss also nicht rätseln, wo für Hegseth die nächste Invasion bevorsteht.

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  • Leserbrief von Istvan Hidy aus Stuttgart (4. Oktober 2025 um 14:43 Uhr)
    Wer glaubte, das Wort »Krieger-Ethos« sei längst verstaubt – irgendwo zwischen preußischem Drill und kaltem Kriegsmetall –, erlebt in Quantico seine groteske Wiederauferstehung. Dort inszenierten Kriegsminister Pete Hegseth und Präsident Donald Trump die Reanimierung eines Geistes, der nach Befehl klingt und nach verbrannter Erde riecht. Hegseth, der sich demonstrativ vom »Verteidigungsminister« zum »Kriegsminister« erklärte, verkündete den endgültigen Abschied von Zivilität: kein Platz mehr für »fette Generäle«, »langhaarige Schwächlinge« oder jene, die Stärke von Würde unterscheiden können. Disziplin, Härte, Körperkult – Muskeln als Moral. So sieht offenbar das neue Ethos einer Weltmacht aus, die sich selbst nicht mehr versteht. Trump ergänzte das Spektakel mit einer improvisierten Oratio pro Populismo – einem Gebet für den Populismus. Über siebzig Minuten mäanderte er durch Themen, die so lose verbunden waren wie seine Argumente: Migration, »verkommene Städte«, »innere Feinde«. Als er schließlich vorschlug, Metropolen wie Chicago oder San Francisco zu Truppenübungsplätzen umzuwidmen, war der Applaus so dünn wie die demokratische Substanz dieser Vision. Der Satz »Wir werden kämpfen und gewinnen« hallte wie ein Mantra aus Bunkerstaub. Doch Hegseths und Trumps Pathos verrät mehr, als es behauptet: die Angst des Imperiums vor der eigenen Erosion. Dieses »Krieger-Ethos« ist kein Rückgrat, sondern Rhetorik aus Pappmaché – laut, hohl, leicht entzündlich. Sozialdarwinismus in patriotischer Folie, die Ästhetik des Stärkeren für eine Gesellschaft, die ihre Schwächen nicht mehr erträgt.
  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Ulf G. aus Hannover (3. Oktober 2025 um 20:44 Uhr)
    Hier (https://www.rev.com/transcripts/hegseth-and-trump-address-to-military) gibt's die kuriosen Reden von Hegseth und Trump im Wortlaut. Damit, dass die USA seit dem Zweiten Weltkrieg keinen Krieg mehr gewonnen hätten, mögen die beiden ja Recht haben. Die Ansicht indes, dass die amerikanische Kriegstüchtigkeit mit einem Kampf gegen lange Haare und gegen Übergewicht der Generäle (»it's completely unacceptable to see fat generals and admirals in the halls of the Pentagon«) aufzumotzen sei, spricht für ein bedenklich magisches Weltverständnis. Auch wenn Trump des weiteren davon phantasiert, sein Gaza-Friedensplan sei der beste der vorangegangen 3.000 Jahre (»yesterday could be the settlement in the Middle East that hasn't happened for 3,000 years«), dann muss man an seinem Verstand zweifeln. (…) Wenn man Trumps Friedensplan liest, springen einem endlos viele Halbheiten, Unvollkommenheiten und Lücken in die Augen. Die von Hegseth vorgeschlagene Lösung der Übergewichtsfrage macht die Lücken auch nicht kleiner. Wer schützt uns vor derart rasanter Unvernunft unserer Politiker? Übergewichtig scheint mir vor allem einer zu sein: Der amerikanische Militärhaushalt. Diese Eigenschaft teilt er mit den Militärhaushalten der anderen NATO-Staaten. »Hau drauf«, das ist für die denkfaule Politelite offenbar bequemer zu denken, als komplexe Lösungsmodelle zu entwerfen und auszuhandeln. Schon Reagan sagte: »After seeing ›Rambo‹ last night, I know what to do.« So geht das nicht. Es braucht mehr Agilität im Hirn und nicht so sehr mehr Agilität in den Muskeln. Ohne die westliche Fokussierung auf militärische Lösungskonzepte hätten wir jedenfalls heute im Donbass Frieden.
  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Joachim S. aus Limassol (2. Oktober 2025 um 06:21 Uhr)
    Man darf wohl annehmen, dass die Führung unter Trump sich damit unter den Militärs nicht nur Freunde geschaffen hat. Der Einsatz des Militärs im Inneren: Wohl mit keiner anderen Maßnahme kann man zudem in den allseits hochgerüsteten USA das Näherrücken eines Bürgerkriegs so befeuern wie mit dieser.
  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Heinrich H. aus Stadum (1. Oktober 2025 um 23:29 Uhr)
    Auf die Frage nach »usa friedensjahre kriegsjahre« antwortet die Goggle-KI: »Übersicht mit KI, Die Vereinigten Staaten waren nur für etwa 20 Jahre seit ihrer Unabhängigkeitserklärung im Jahr 1776 in Friedensphasen ohne Krieg. Die genaue Anzahl der Friedensjahre kann variieren, je nachdem, welche Konflikte gezählt werden, aber die USA waren in der überwiegenden Mehrheit der Zeit an Kriegen beteiligt, darunter der Amerikanische Unabhängigkeitskrieg, der Amerikanische Bürgerkrieg und die beiden Weltkriege.«, mehr hier: https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_von_Milit%C3%A4roperationen_der_Vereinigten_Staaten . Soviel historisches zum Zitat »Nummer eins: Die US-Streitkräfte «verteidigen» nicht …« aus dem Artikel. Frau muss Hegseth nicht an Wilhelm Zwo messen, es reichen die Taten der US-Soldateska. Den kleinen Unterschied zwischen D-Day und einem Angriff auf China sollte man doch betonen.
  • Leserbrief von Reinhard Hopp aus Berlin (1. Oktober 2025 um 21:31 Uhr)
    The New American Dream: Die europäische NATO führt Krieg gegen Russland, Israel bekämpft den Iran und die USA (im Verbund mit ihren pazifischen Lakaien) greifen China an. Das alles natürlich nur wegen »Freedom and Democracy« – versteht sich!
    • Leserbrief von Jürgen Fleißner aus Seeheim - Jugernheim (4. Oktober 2025 um 10:13 Uhr)
      Vielen Dank Herr Hopp für Ihre Aufklärung. Ich habe noch nicht gewußt das sich NATO Soldaten im Kampfeinsatz in Russland befinden. Welche deutsche Panzereinheit ist dort im Einsatz und wo genau? Im Voraus vielen Dank für Ihre Information. J.Fleißner

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