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Aus: Ausgabe vom 01.10.2025, Seite 2 / Ausland
Sozialer Protest

Aufruhr in Madagaskar

Demonstranten fordern nach Regierungsabsetzung auch Präsidentenrücktritt
Von Bernard Schmid
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Seit Donnerstag haben die Repressionsorgane mehr als 20 Demonstranten getötet (Antananarivo, 29.9.2025)

Sämtliche Regierungsmitglieder hat Madagaskars Präsident Andry Rajoelina am Montag vor die Tür gesetzt. Der 51jährige war erst am Samstag abend nach mehrtägiger Abwesenheit, während der er der UN-Generalversammlung in New York beiwohnte, in den Inselstaat im Osten Afrikas mit 32 Millionen Einwohnern zurückgekehrt. Unterdessen waren im Land am Donnerstag heftige soziale Unruhen mit mehr als 20 Todesopfern aufgeflammt.

Den Auslöser dafür bildeten Aufrufe zu Protestversammlungen wegen andauernder Strom- und Wasserabstellungen. Anlassbezogen feuerte der Staatschef unmittelbar nach seiner Rückkehr zunächst den Energieminister. Doch dies genügte offensichtlich nicht, woraufhin das ganze Kabinett folgte. Potentielle Nachfolger für die geschassten Minister forderte Rajoelina dazu auf, sich doch bitte per Einsendung von Unterlagen per E-Mail »oder auf Linkedin« zu bewerben, was sofort Spott in den sozialen Netzwerken hervorrief.

Zugleich deutete sich an, dass auch der erzwungene Rücktritt der Regierung nicht genügen dürfte. Längst fordern die Protestierenden, dass auch das Staatsoberhaupt selbst seinen Hut nimmt. Ihre Bewegung beschränkt sich keineswegs auf die Hauptstadt Antananarivo, sondern hat in den vergangenen Tagen unter anderem Fianarantsoa im Norden, Toamasina im Osten oder Toliara im Süden der Rieseninsel erreicht.

Rajoelina war zunächst 2009 von der Armee ins präsidiale Amt eingesetzt worden, nachdem diese infolge von Massenprotesten gegen Korruption seinen Amtsvorgänger Marc Ravalomanana weggeputscht hatte. Nach fünfjähriger »Übergangspräsidentschaft« musste Rajoelina zunächst Abschied von der Staatsspitze nehmen, kehrte jedoch nach der Wahl 2018 dorthin zurück. 2023 wurde er im Amt bestätigt, wobei seine Wiederwahl jedoch von der Opposition angefochten wird. International wird er mit seiner Partei TGV als »Mitte-links« oder vage sozialdemokratisch eingestuft, wovon in seiner Amtsführung aber wenig zu merken ist.

75 Prozent der Madegassen leben laut Zahlen der Weltbank von 2022 unter der Armutsgrenze, auf dem UN-Entwicklungsindex steht die Insel weit unten. Nach 1972 hatte sie eine sozialistische Ära erlebt. Der ab 1975 und mit vierjähriger Unterbrechung bis 2002 amtierende Präsident Didier Ratsiraka ersetzte das Bekenntnis zum Marxismus im Anschluss an den Zusammenbruch der Sowjetunion durch das zu einer »humanistischen Ökologie«. Nachfolger Ravalomanana verwarf diesen Kurs. Rajoelina seinerseits versteht sich gut mit der Privatwirtschaft und internationalen Mächten, darunter Deutschland.

Hauptträger der derzeitigen Protestbewegung sind junge Erwachsene. Eine Trägergruppe bezeichnet sich als »Kollektiv Generation Z«. Als Identifikationssymbol dient auch eine stilisierte Piratenflagge mit Strohhut, die aus dem Manga »One Piece« entlehnt ist und zuvor bei Protesten in Indonesien und Nepal gezeigt worden war. Madagaskar ist nicht das einzige Land, in dem gegenwärtig Proteste der »Gen Z« stattfinden – am Wochenende folgte auch Marokko.

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