»Diese Lüge von der Bedrohung verfängt leider«
Interview: Marc Bebenroth
Regierung und Medien bereiten die Öffentlichkeit auf einen Krieg vor. Jüngstes Beispiel: die täglichen Reaktionen auf Sichtungen von angeblich russischen Kleindrohnen. Wie kommt die Friedensbewegung da noch hinterher?
Es ist auf jeden Fall schwer. Aber es ist unsere Pflicht, dagegen aktiv zu werden. Mit den angeblichen oder tatsächlichen Drohnensichtungen wird uns erzählt, dass Russland uns angreifen könnte. Ein so legitimierter Angriff der NATO könnte die Situation ganz schnell zum Eskalieren bringen. Das Feindbild Russland dient ganz wesentlich zur Kriegsvorbereitung. Als Initiative »Nie wieder Krieg – Die Waffen nieder!« sehen wir es ganz wesentlich als unsere Aufgabe an, zu sagen: Russland bedroht uns nicht. Das lässt sich auch praktisch belegen, zum Beispiel durch die Greenpeace-Studie zum Kräftevergleich: Die NATO ist in allen wesentlichen militärischen Bereichen Russland um ein Vielfaches überlegen.
Dass Russland gerade deshalb auf »hybride Kriegführung« setze, lassen Sie nicht gelten?
Diese Erzählung dient dazu, einen Krieg gegen Russland zu legitimieren. Aber das ist nicht die Ursache für die Aufrüstung. Die NATO-Staaten bangen um ihre Stellung auf der Welt. Wie der ehemalige Bundespräsident Horst Köhler einst gesagt hatte: Es geht um Handelswege, Rohstoffe, Absatzmärkte und die Vorherrschaft auf der Welt. In der Ukraine wird sich schon jetzt der Zugriff auf Lithium und andere Rohstoffe gesichert.
Verfängt das wiederholte Warnen vor Russland noch?
Diese Bedrohungslüge verfängt leider. Das merken wir auch bei den Aktionen vom Bündnis »Nein zur Wehrpflicht«. Die Jugendlichen, mit denen wir sprechen, wollen sich nicht verpflichten lassen. Aber oft kommt die Frage auf: »Was, wenn Russland uns angreifen würde?«
Was sagen Sie denen, die zur Bundeswehr wollen – und sei es nur aus finanziellen Gründen?
Wir erleben massenhaften Stellenabbau, die Anzahl der Ausbildungsplätze geht immer weiter zurück und viele Jugendliche können einen Studienplatz nur mit einem Zweit- oder Drittjob finanzieren. Bei der Bundeswehr kann man ohne Numerus clausus studieren oder einen Beruf erlernen. Und wenn man ein Vielfaches des Einkommens einer Ausbildung bekommt, ködern sie damit die Jugendlichen, die in einer absolut prekären Situation sind. Deshalb verurteilen wir niemanden dafür, aber wir machen deutlich, dass die Bundeswehr kein normaler Arbeitgeber ist, dass man sich eben jener Kriegsvorbereitung verpflichtet und wir deshalb gegen diese Wehrpflicht kämpfen müssen.
Zum Beispiel mit den Friedensdemonstrationen am Freitag in Berlin und Stuttgart …
Für die Demonstration in Berlin haben wir Jugendblöcke organisiert, weil die jungen Leute merken: »Hier geht es um mich. Ich bin diejenige oder derjenige, dessen Leben es im Zweifelsfall kostet.« Das ist aus meiner Sicht auch eine riesige Chance, um mehr Jugendliche für die Friedensbewegung zu gewinnen.
Weshalb zwei groß angelegte Demonstrationen am 3. Oktober?
Wir wollen so noch mehr Teile der Friedensbewegung auf die Straße bekommen. Wir haben bei den letzten Demos die Rückmeldung bekommen, dass die Anreise nach Berlin für viele weit ist. In Stuttgart kommen an dem Wochenende die Mitglieder der VVN–BdA zum Bundeskongress zusammen. Und uns ist sehr wichtig, die Friedensfrage mit dem Kampf gegen den Faschismus zusammenzubringen. Beides müssen wir an der Wurzel bekämpfen.
Wo fällt die Mobilisierung schwer?
Wir müssen noch mehr dazu bringen, gemeinsam aus den Betrieben heraus auf die Straße zu gehen. Eine weitere Herausforderung ist auch, die Palästina-Solidaritätsbewegung mit der Friedensbewegung zusammenzubringen. Deshalb ist es sehr gut, dass wir am Freitag auch Palästina-Blöcke haben werden.
Inwiefern ist die Friedensbewegung in der Lage, die Proteste zu verstetigen?
Vor Ort müssen wir aktiver werden, in Gewerkschaften und Betrieben sowie darüber hinaus mit unseren Mitschülerinnen und Mitschülern, Kollegen, Nachbarn, Freunden diskutieren. Wir müssen wie die Kollegen in Marseille und Piräus Streiks gegen den Krieg organisieren können.
Andrea Hornung ist Bundesvorsitzende der SDAJ und aktiv bei der Initiative »Nie wieder Krieg – Die Waffen nieder!« sowie im Bündnis »Nein zur Wehrpflicht«
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