Licht
Von Jürgen Roth
Wie soll man Licht beschreiben? Das letzte Spätseptemberlicht vor ein paar Tagen? Da es auf eine Kaffeetasse fällt? Durch einen Gegenstand reflektiert und gewissermaßen von ihm dargestellt wird?
Nein, als reine Erscheinung, als »Eidos« (Husserl) – geht das? Oder kann man ein Licht gleich diesem nur malen?
Mein Freund Fritz Bernstein konnte das, vollendet. Die Sprache scheint dergleichen nicht zu vermögen.
»Die Grenzen meiner Sprache bedeuten die Grenzen meiner Welt«, sagt Wittgenstein. Sehe ich dieses Licht über und in diesem Garten in den letzten Septembertagen dieses Jahres, weil mir die Wörter fehlen, also gar nicht? Vernehme ich dieses weiche, ein wenig müde und zugleich doch kräftige Licht an sich überhaupt nicht, weil es jenseits der Grenzen meiner Welt strahlt?
Warum stellt einen die Welt ständig vor Fragen? Darf man sie nicht einfach einmal verstehen, innig, ohne Umwege? (Verstehen, nicht begreifen.)
Das Handeln ist beschreibbar und erklärbar, das Betrachten, durchtränkt von Unsagbarkeit, höchstens asymptotisch. Schönheit bleibt auf immer nicht explizierbar.
Soll man das Licht verändern wollen? Verbessern? Mittels Algorithmen durchleuchten und alsdann justieren? Berechnen und einrichten? Auf dass es endlich beschreibbar wäre?
Die Makellosigkeit, die das Licht dem Himmel in seiner vollkommen angstfreien Tiefe schenkt, der spätsprießenden Wiese, den silbrigen Blättern des Apfelbaums, den verträumt noch einmal herumbummelnden Insekten, der absoluten Stille – und, ja, das Licht seinerseits spendet Stille, helle Stille, erbringt eine Welt ohne Furcht und Sorge, abgewandt dem Geschwätz, die roten Holz-fensterläden des Nachbarhauses glänzen, die Johannisbeersträucher genießen den Feierabend.
Portugallicht. Es ist Portugallicht. Jeder Mensch hat das Recht auf Portugallicht.
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