Der Trend geht abwärts
Von Thomas Berger
Pakistan macht derzeit drastische Rückschritte bei der Armutsbekämpfung. Nach vielen Jahren der positiven Entwicklungen sei seit 2022 eine Trendumkehr zu beobachten, teilte die Weltbank in einem vergangene Woche veröffentlichten Bericht mit. Lag die offizielle Armutsquote der Bevölkerung im Land 2022 noch bei 18,3 Prozent, ist sie zwei Jahre später auf 25,3 Prozent angewachsen: ein Anstieg um sieben Punkte in zwei Jahren. Schuld an den steigenden Zahlen haben nicht nur anhaltende Verwerfungen aus der Coronazeit. Ein Grundproblem ist, dass ein Großteil der Bevölkerung nicht von gesicherten Anstellungsverhältnissen lebt, sondern in der notorisch krisengeplagten Landwirtschaft oder im informellen Sektor tätig ist.
Was der Weltbank-Report nicht so deutlich anmerkt: Auch der neuerliche Privatisierungsdruck auf die Wirtschaft, nicht zuletzt vom eng verbundenen Internationalen Währungsfonds (IWF) befördert, trägt zu diesem Abstieg bei. »Das Wachstumsmodell, das die ursprüngliche Armutsreduzierung unterstützt hat, hat sich als unzureichend für nachhaltigen Fortschritt erwiesen«, zitierte die pakistanische Zeitung The Express Tribune den Bericht. Seinerzeit hatte es eine starke Urbanisierung gegeben – viele junge Menschen, denen auf dem Land Perspektiven fehlten, wanderten in die Städte ab. Oft fanden sie dort aber nur prekäre Jobs. Der Verdienst war zwar höher als im Dorf, jedoch zu gering, um mit stark steigenden Lebenshaltungskosten Schritt zu halten.
Rund 85 Prozent der Erwachsenen hängen im Niedriglohnsektor fest. Die »Jahrhundertflut« von 2022 und auch schwere Überschwemmungen in diesem Jahr haben die Lage weiter verschärft. Während die Regierung eine Urbanisierung um die 40 Prozent annimmt, geht der Weltbank-Report vom Doppelten aus. Die Autoren räumen ein, dass manche Zahlen nicht hundertprozentig belastbar seien. Die übrigen Erkenntnisse sind erschütternd genug: An die 40 Prozent der Kinder leiden wegen Mangelernährung unter körperlichen Entwicklungsdefiziten, ein Viertel geht nicht zur Schule. Gut 75 Prozent haben nur begrenztes Lesevermögen. Jeder zweite Haushalt habe keinen gesicherten Trinkwasserzugang, 31 Prozent fehle es an Sanitäranlagen. Kaum wurde der Report publik, begann das Ringen um die Deutung der düsteren Zahlen.
Pakistans Finanzministerium vermutet eher Änderungen der Methodik hinter den Werten. Khurram Schehzad, Berater des Ministers, räumte Rückschläge ein. Die konservative Regierung von Premier Shehbaz Sharif habe aber staatliche Sozialprogramme ausgebaut, neue Jobs geschaffen und Maßnahmen eingeleitet, um Subventionen zielgerichteter einzusetzen, argumentierte er. Viele Unterstützungsmaßnahmen sind indes auf Druck des IWF abgeschafft oder reduziert worden. Darunter der sogenannte Minimum Support Price, der Bauern für Weizen oder Zuckerrohr Mindesteinnahmen garantieren sollte. Manche haben seither ihre Produktion umgestellt oder aufgegeben. Rana Tanveer Hussain, Minister für Ernährungssicherheit, kündigte an, Pakistan dürfe 2025 gezwungen sein, Weizen im Wert von 1,5 Milliarden US-Dollar zu importieren.
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