Genua mahnt Europa
Von Luca De Crescenzo
In Genua beriet am Freitag und Sonnabend die Versammlung des internationalen Netzwerks von Hafenbeschäftigten, die den Transport von Kriegsmaterial verweigern. Thema: »Hafenarbeiter arbeiten nicht für den Krieg.« Gastgeberin war die italienische Basisgewerkschaft USB (Unione Sindacale di Base). Offiziell vertreten waren Delegationen von ENEDEP (Teil des Dachverbands PAME, Griechenland), CGT (Frankreich), SZPD (Slowenien), LAB (Baskenland) und SEGDAMELIN (Zypern). An der nichtöffentlichen Freitagssitzung nahm zudem ein Vertreter der Verdi-Betriebsgruppe des Hamburger Hafens teil. Besonders schwer wog, dass dem Delegierten der türkischen Hafenarbeitergewerkschaft LİMTER-İŞ das Visum verweigert worden war. Ein Vertreter der ODT aus Tanger fehlte aus logistischen Gründen.
Wie José Nivoi vom Collettivo Autonomo Lavoratori Portuali (CALP) in der jW bereits schilderte, hat sich das Netzwerk über Jahre durch gemeinsame Aktionen und persönliche Kontakte aufgebaut. Einen Sprung nach vorn bewirkte das erste offizielle Treffen am 28. Februar in Athen, an dem viele der jetzt in Genua vertretenen Organisationen teilnahmen. Es folgten rasch drei koordinierte Blockaden von Schiffen mit Rüstungsgütern – in Marseille, im Hafen von Piräus und am 20. Juni in Genua.
Letztere war die spektakulärste: Ein Schiff der chinesischen Reederei Cosco kehrte mit seiner Ladung um. Das beflügelte die Palästinasolidaritätsbewegung im Land, trug darüber hinaus aber auch zum durchschlagenden Erfolg des Streik- und Aktionstages am 22. September bei. An diesem Tag demonstrierten landesweit rund eine Million Menschen für das Anliegen – und dies trotz der lähmenden Zögerlichkeit, teils gar offener Sabotage durch die größte italienische Gewerkschaft CGIL, die erstmals von einer Basisgewerkschaft zahlenmäßig übertroffen wurde.
Auslöser war die Ankündigung der Hafenarbeiter von Genua, ihren Hafen zu blockieren, sollte die »Sumud-Flottille« angegriffen werden – eine Drohung, der viele Beschäftigte in Betrieben und Häfen mit Solidaritätsaufrufen folgten und die in jenen außergewöhnlichen Tag mündete. »Der 20. Juni stieß den Damm für die Flut vom 22. September auf«, kommentierte ein Vertreter des USB-Transportsektors in Genua. Ein CALP-Arbeiter erinnerte: »Wenn die Geschichte düster wird, ist die Arbeiterklasse gefordert.« Die Versammlung widmete er »den Älteren«, jener Generation von Arbeitern und Aktivisten, »mit der wir uns vor jedem Schritt beraten«.
Das internationale Treffen stand wenige Tage nach dieser als historisch bezeichneten Mobilisierung ganz unter deren Eindruck. In den Eröffnungsbeiträgen wurden die laufenden Aktionen in Tarent und Livorno begrüßt, wo derzeit Hunderte Arbeiter und Unterstützer versuchen, die Ankunft eines US-Tankers mit Ziel Haifa zu verhindern. Besonders spürbar wurde die Wirkung, als ein Vertreter der Palestine New Federation of Trade Unions berichtete, palästinensische Social-Media-Kanäle seien »überflutet gewesen von Bildern der Kämpfe aus Italien. Dass aus dem Land, aus dem sonst Bilder von Tragödien kommen, diesmal Bilder der Solidarität zurückgesendet wurden, wirkte in diesem Klima der Ohnmacht wie frische Luft. Ihr habt ganz Europa ein Beispiel gegeben – eines, dem man folgen sollte.«
Dieses Beispiel zu vervielfältigen ist das erklärte Ziel des Antikriegskampfes – und er hat bereits dazu beigetragen, dies möglich zu machen. Die provisorische gemeinsame Erklärung, die am Freitag in Genua verabschiedet wurde und nun in den Mitgliedsorganisationen beraten wird, zielt auf eine europäische Mobilisierung. Vier Punkte werden genannt: Stopp des Völkermords am palästinensischen Volk und der israelischen Besatzung. Sofortige Öffnung humanitärer Korridore. Häfen dichtmachen für Waffen. Schluss mit »Rearm Europe«, das enorme Summen von essentiellen öffentlichen Mitteln bindet. Alle Beiträge der öffentlichen Versammlung am Sonnabend zielten in diese Richtung: die Kämpfe miteinander zu verbinden – Solidarität mit Palästina, Ablehnung jeder Kriegspolitik und gewerkschaftliche Auseinandersetzungen am Arbeitsplatz.
Dies ist die Lehre, die die italienische Arbeiterklasse – getragen von ihren Hafenbeschäftigten – diesmal der des gesamten Kontinents erteilt hat: Es ist wichtig, die ganze Bewegung an sich zu ziehen, sie zu stärken und zu vervielfachen; die von reformistischen Organisationen verursachte Lähmung zu überwinden – und damit deren Rolle zu entlarven. Die Versammlung in Genua lässt hoffen, dass dieses Signal aufgegriffen und weitergetragen wird.
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