Mittel zum Zweck
Von Wiebke Diehl
»Sie wollen uns stürzen«, brachte es der iranische Präsident Massud Peseschkian am Freitag auf den Punkt, bevor die UN-Sanktionen gegen den Iran im Rahmen des sogenannten Snapback-Mechanismus wieder in Kraft traten. Und tatsächlich scheint der »Wertewesten« die Konzentration wieder verstärkt auf eines seiner vorrangigen Ziele, den Sturz der Islamischen Republik, gelegt zu haben. In einem intensivierten Wirtschaftskrieg will man Teheran in die Knie zwingen. Die Bevölkerung soll durch die Auferlegung unerträglicher Lebensbedingungen dazu gebracht werden, die Regierung zu stürzen und ein dem Westen genehmes Regime zu installieren.
Nachdem man damit in Syrien, vor dem Putsch im Dezember einer der engsten Verbündeten des Iran, erfolgreich war, wird jetzt wieder der Hauptfeind Israels ins Visier genommen. 40 Prozent beträgt die dortige Inflationsrate bereits. Die Knappheit von Strom und Wasser hat inzwischen ein kritisches Ausmaß erreicht. Immer häufiger kommt es zu Zwangsabschaltungen, die Erwerbslosenquote steigt. In Jahrzehnten der Sanktionen wurde ein »guter Nährboden« geschaffen. Wahrscheinlich werden wir demnächst von neuen »Farbrevolutionen« hören.
Die von Berlin, London und Paris verbreitete Darstellung, man habe sich konstruktiv um eine diplomatische Lösung bemüht, ist heuchlerisch. Es waren die USA, die während der ersten Amtszeit von Donald Trump das Atomabkommen einseitig aufkündigten, damit vertragsbrüchig wurden und wieder harte Sanktionen verhängten. Und es war ebenfalls Washington, das gemeinsam mit Israel im Juni völkerrechtswidrig den Iran bombardierte. Heute sehen wir die gleiche, von den Europäern betriebene Täter-Opfer-Umkehr wie damals, Teheran wird zum Stillhalten aufgefordert. Die Message ist klar: Entweder ihr fügt euch, oder wir bekriegen euch. Der Elefant im Raum, um den es in Wahrheit geht, bleibt Israel und die iranische Position zum Apartheidstaat.
Der westliche Umgang mit dem iranischen Atomprogramm ist ähnlich instrumentell, wie es der mit den syrischen Chemiewaffen war. Obwohl sie im Jahr 2014 vernichtet worden waren, redete der Westen sie wieder zurück. So konnte man die Sanktionen aufrechterhalten und dem Regime-Change-Krieg im vergangenen Dezember doch noch einen »erfolgreichen« Ausgang bescheren. Auch gegen den Iran sind die Atombombenanschuldigungen nicht zuletzt Mittel zum Zweck. Man braucht sie, um das eigentliche Ziel, den Sturz der Islamischen Republik, die sich den israelischen Völkerrechtsbrüchen einfach nicht fügen will, weiter voranzutreiben.
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Leserbrief von Klaus Ludwig aus Bosserode (1. Oktober 2025 um 11:39 Uhr)Grundsätzlich ist der Kommentar wichtig und richtig. Allerdings erfasst er nicht die Dimension, um die es hier geht. Jedenfalls geht es primär nicht um Israel, wenn die »westliche Wertegemeinschaft« regime change im Iran anstrebt. Es geht um mehr. Da sind zuerst die USA, für die der Iran eine besondere Bedeutung hat und wofür das Land und sein Volk bluten müssen. Rache für die Schmach von 1979, als die US-Botschaft im Iran besetzt wurde und es den Studenten gelang, 52 US-Diplomaten oder CIA-Agenten für 444 Tage als Geiseln zu verschleppen. Jeder US-Präsident versucht seitdem als jener in die Geschichte einzugehen, der die Rache vollzogen und das Land und sein abgestraft hat. Regime change. Darum geht es, immer und egal mit welcher verleumderischen Begründung. Es wird keine US-Regierung geben, die jemals darauf verzichtet. Das ist, weil die USA als Pate einer mafiosen Konzeption die Welt dominiert, das Wesen jedweden Angriffs gegen den Iran. Seit den Verschiebungen globaler Kräfteverhältnisse kommt dieser Rache eine zusätzliche Bedeutung. Trump hat es deutlich formuliert: Es geht um die Zerschlagung von BRICS. Diese chinesische Alternative zum hegemonialen Spinnennetz ist die sichtbare Option für das Ende der Hegemonie. Das verhasste China, Trump hat zum Hass auf Feinde aufgerufen und Antikommunisten hassen zuerst und zutiefst Kommunisten, anzugreifen, ist nicht leicht und für die USA mit vielen Risiken verbunden, aber es aus seinem Kokon an Partnern zu lösen und zu isolieren, eine wohl wichtige Voraussetzung. Deshalb BRICS zerschlagen. Und anfangen kann man am ehesten im Iran, denn dort, so die Propaganda, geht es nicht um BRICS oder China, sondern darum, einem Reich des Bösen die Atomwaffen aus der Hand zu schlagen. So wird man die Öffentlichkeit im Westen dafür schon mobilisieren können. BRICS und der Iran spielen zudem eine wichtige Rolle im Nahen Osten, denn mit Hilfe Beijings ist es gelungen, die früheren Todfeinde Saudi-Arabien und Iran zu versöhnen und so über das Instrument BRICS nachhaltige Voraussetzungen für Frieden und Stabilität im Nahen und Mittleren Osten zu schaffen. Dies zu verhindern, hier kommt Israel ins Spiel, ist dringendes Anliegen Tel Avivs, und gelingt es, erster Dominostein, um die BRICS zum Fall zu bringen. Brasilien und Südafrika sind bereits in das Fadenkreuz der US-Aggression geraten und sollen folgen. Diese Dimension, das nebenbei, sieht Moskau nicht, denn selbstverständlich hätte Russland die Machtübernahme durch Al-Qaida in Syrien verhindern können und so den Spielraum Israels durch Syrien eingeengt belassen können. Ob sie es nicht wollten oder ihnen die Zuneigung Ankaras zu wichtig war, sei dahingestellt.
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Leserbrief von Fred Buttkewitz aus Ulan - Ude (1. Oktober 2025 um 12:24 Uhr)»Diese Dimension, das nebenbei, sieht Moskau nicht, denn selbstverständlich hätte Russland die Machtübernahme durch Al-Qaida in Syrien verhindern können und so den Spielraum Israels durch Syrien eingeengt belassen können.« Die Führung in Moskau ist halt nicht so klug, Ratschläge aus Deutschland zu befolgen, wo man stets unter Beweis gestellt hat, wie man Zwei-Fronten-Kriege gewinnt. Al-Qaida in Syrien allein war oder ist ja nicht das Problem. Der Westen führte in Syrien und führt in der Ukraine Stellvertreterkriege (lässt andere für sich kämpfen) gekoppelt mit zuvor nie dagewesenen Sanktionen. Diese Möglichkeiten hat Russland nicht, kämpft stets selbst, und folgt daher Empfehlungen aus dem Westen nicht, sich wie von dort gewünscht maximal zu verausgaben und zu schwächen. Die Rolle des Weltpolizisten beanspruchen Länder wie die USA, GB, Frankreich und mehr und mehr auch Deutschland – Russland nicht.
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Leserbrief von Jürgen Fleißner aus Seeheim - Jugenheim (2. Oktober 2025 um 09:34 Uhr)Sehr geehrter Herr Buttkewitz, ich erlaube mir darauf hinzuweisen, dass in der Ukraine Russland einen Krieg gegen die Ukraine führt. Mit friedlichen Grüßen, J.Fleißner
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