»Wollen etwas gegen die andauernde Zerstörung tun«
Interview: Marc Bebenroth
Eine Gruppe von Aktivisten hat am Freitag in den frühen Morgenstunden einen Kohlebagger im Tagebau Hambach in NRW betreten und vorübergehend besetzt. Sie wollten damit ein Zeichen gegen die geplante Rodung im Hambacher Forst setzen. Welche Rolle spielt dabei diese riesige Maschine?
Bagger wie die im Braunkohletagebau im Rheinland gehören zu den größten beweglichen Maschinen der Welt. Kaum etwas symbolisiert derart deutlich die Zerstörung des Planeten für den Kapitalismus wie diese Geräte, die uns wortwörtlich den Boden unter den Füßen entziehen. Wir haben gezeigt: Auch solche Infrastruktur lässt sich lahmlegen.
Heißt das, die Technik war im Betrieb, als die Aktion startete?
Sowohl der Bagger als auch die Förderbandanlage waren bis dahin in Betrieb.
Warum sind Sie gegen die Errichtung eines Jachthafens am Rand des Tagebaugebiets, für den ein Teil des Waldes weichen soll?
Allein um das Hambacher Loch zu fluten, bräuchte es drei Milliarden Kubikmeter Wasser. Wo der Rhein, aus dem das Wasser entnommen werden soll, in Zeiten der Klimakatastrophe derart viel Wasser herbekommen soll, ohne dass das an anderen Stellen desaströse Folgen hätte, ist vollkommen unklar. Schadstoffbelastung des Wassers und die Gefahr von Versauerung sind hinzukommende Probleme.
Selbstverständlich müssen die Randbereiche des Lochs gegen Erdrutsche gesichert werden, aber dafür darf kein weiterer Wald abgebaggert werden. Erst recht nicht für Luxusunsinn wie künstliche Inseln und Jachthäfen.
Die an der Aktion beteiligten Aktivisten haben sich beim Hinaufsteigen auf den Bagger gefilmt und Videos auf der Plattform Instagram veröffentlicht. Liefert das nicht wertvolles Material für rechtliche Schritte gegen sie?
Ganz so einfach ist das nicht: In der Vergangenheit gab es Freisprüche für ganz ähnliche Aktionen. Und außerdem wollten wir zeigen, wie eine solche Aktion abläuft, denn vielleicht macht das ja auch noch weiteren Menschen Mut, widerständig zu sein. Mit einem mehrstündigen Livestream haben wir Menschen erreicht, die sich sonst wahrscheinlich nicht für unsere Aktion interessiert hätten.
Es dauerte nicht lange, bis die Polizei an Ort und Stelle war. Wie sind die Beamten gegen die Menschen auf dem Bagger vorgegangen?
Bis die räumenden Einheiten tatsächlich bei ihnen waren, vergingen fast sechs Stunden, und die Förderbänder standen noch weit länger still. Nur der Heli war schneller. Als die Polizei dann da war, hat sie zunächst vier Beteiligte rabiat und gefährlich von einem Förderband geräumt, bevor sie zum Bagger kamen. Dort haben sie dann die Seilwachen der Kletternden geräumt, bevor sie sich zu den Kletternden abseilten und diese räumten. Aus meiner Sicht ist das falsch herum, denn die Seilwachen kennen das genutzte System und können im Zweifel sicherheitsrelevante Informationen beitragen.
Was sind Ihre Kriterien, um die Aktion im Tagebau als Erfolg werten zu können?
Ursprünglich war für Freitag ein Strafprozess wegen einer ganz ähnlichen Aktion terminiert. Wir haben gezeigt, dass uns die staatliche Repression nicht davon abhalten wird, weiterhin freche Aktionen zu machen. Welche Aktionen am Ende zum Erfolg führen? Zum einen ist es immer die Summe und zum anderen weißt du das selten, wenn du drinsteckst. Wir haben die Weisheit nicht mit Löffeln gefressen, aber wir bemühen uns ehrlich, etwas gegen die andauernde Zerstörung zu tun. Und die ist ja nicht weniger grausam, nur weil gerade andere Themen medial dominieren.
Laut einer Mitteilung solidarisieren sich die »Pirati-Aktivisti«, wie sich die an der Aktion Beteiligten nennen, auch mit der Waldbesetzung im Sündenwald. In welchem Zustand sind die Besetzer dort, und wie steht es um die beiden Waldgebiete?
Beide Waldstücke, die ja mal eins waren, bevor das Loch sie zerriss, leiden deutlich unter RWE. Dennoch sind sie sowohl als Orte des Widerstands als auch ökologisch weiterhin sehr wertvoll. Ab dem ersten Oktober rechnen wir mit verstärkten Aktivitäten von RWE und Cops dort, also: Wir sehen uns im Sündi!
Jessie Hansen spricht für die Gruppe »Pirati-Aktivisti«
Tageszeitung junge Welt am Kiosk
Die besonderen Berichterstattung der Tageszeitung junge Welt ist immer wieder interessant und von hohem Nutzwert für ihre Leserinnen und Leser. Eine gesicherte Verbreitung wollen wir so gut es geht gewährleisten: Digital, aber auch gedruckt. Deswegen liegt in vielen tausend Einzelhandelsgeschäften die Zeitung aus. Überzeugen Sie sich einmal von der Qualität der Printausgabe.
links & bündig gegen rechte Bünde
Jetzt den kostenlosen jW-Newsletter abonnieren – täglich das Beste aus der Tageszeitung junge Welt, direkt in Ihr Postfach. Ihre E-Mail-Adresse wird natürlich niemals an Dritte weitergegeben.
Ähnliche:
- AdoraPress/M. Golejewski22.01.2025
»RWE verschiebt Grenzen und baggert weiter«
- Alexander Franz/IMAGO13.01.2025
RWE will roden
- Marcel Kusch/dpa06.01.2025
»Der Konzern will Fakten schaffen«
Regio:
Mehr aus: Inland
-
Zehntausende gegen den Genozid
vom 29.09.2025 -
Alle Antifa
vom 29.09.2025 -
CDU drängt auf Sozialabbau
vom 29.09.2025 -
Für ein Ende des Genozids
vom 29.09.2025 -
Kriegsgegner gefeuert
vom 29.09.2025 -
Autokrise frisst sich fest
vom 29.09.2025