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Aus: Ausgabe vom 29.09.2025, Seite 7 / Ausland
Konflikt im Maghreb

Brüssel bricht Völkerrecht

EU und Marokko vereinbaren neuen Handelsvertrag – auch für die Westsahara
Von Jörg Tiedjen
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Freiheit für die Westsahara: Sahrauis fordern ihr Recht auf Selbstbestimmung ein (Las Palmas, 26.3.2022)

Die Europäische Union hat offensichtlich ein gespaltenes Verhältnis zum internationalen Recht. Denn erneut hat die EU-Kommission im September ein Handelsabkommen mit Marokko ausgehandelt, dessen Gültigkeit auch die von dem nordafrikanischen Königreich zu zwei Dritteln besetzte Westsahara einschließen soll. Das geht jedenfalls aus einem internen Dokument hervor, das an das Netzwerk Western Sahara Resource Watch (WSRW) geleakt wurde und auch jW am Sonntag vorlag. Demnach soll der neue Vertrag am Mittwoch von den EU-Mitgliedern verabschiedet werden – fast genau ein Jahr nachdem der Europäische Gerichtshof (EuGH) in endgültigen und bindenden Urteilen alle Übereinkommen zwischen Brüssel und Rabat für illegal erklärt hatte, die dem Selbstbestimmungsrecht der Völker keine Rechnung tragen: in diesem Fall dem der Sahrauis als legitimen Einwohnern der Westsahara.

Die EuGH-Urteile von vergangenem Oktober hatten keinen Platz für Zweifel gelassen und unmissverständlich festgelegt, dass die Westsahara nicht zu Marokko gehört, die Befreiungsfront Polisario die legitime Vertreterin der Sahrauis ist und dass das Territorium betreffende Verträge entsprechend ihr Einverständnis benötigen. Allerdings hatte das höchste EU-Gericht Brüssel und Rabat auch ein Schlupfloch gelassen, das jetzt anscheinend eine etwas abgewandelte Neuauflage der alten Verträge ermöglichen soll. In der Urteilsbegründung war nämlich die Rede davon, dass sehr wohl ein Fall denkbar sei, in dem Marokko und die EU bilateral Verträge auch über die Westsahara abschließen – und zwar dann, wenn plausibel erscheint, dass ein solches Abkommen auch den Sahrauis nützt und sie nicht dauerhaft an eine fremde Entscheidung bindet. Dieser spekulative Fall soll es jetzt ermöglichen, erneut über die Köpfe der Sahrauis hinweg einen Handelsvertrag auch für die Westsahara abzuschließen.

Der Entwurf scheint dabei in erstaunlich kurzer Zeit zustande gekommen zu sein. So wurde der Auftrag für seine Erarbeitung offiziell erst am 10. September vom EU-Rat erteilt – doch schon am 15. September soll er fertiggestellt worden sein. Laut WSRW ist dies der beste Beweis, dass entsprechende Pläne schon längst in der Schublade lagen. Perfide erscheint die Begründung, warum die Zusammenarbeit zwischen EU und Marokko in der Westsahara den Sahrauis nützen soll. Hier wird in dem EU-Papier unter anderem hervorgehoben, dass Brüssel ja an einer »nachhaltigen Entwicklung« der Westsahara gelegen sei. Die Strategie Marokkos, seine illegale Besetzung der alten spanischen Kolonie durch Projekte wie Windfarmen oder den Aufbau einer Produktion des in der EU heißbegehrten Wasserstoffs ökologisch zu rechtfertigen und »grünzuwaschen«, geht damit voll auf. Der Polisario-Front bleibt nun nichts weiter, als nach Unterzeichnung des neuen Abkommens erneut vor den EuGH zu ziehen. Den Zugang hat sie. Nach allgemeiner Rechtslage dürfte die Klage auch Erfolg haben. Aber sie dürfte sich hinziehen – und genau das scheinen die EU und auch Marokko zuallererst zu bezwecken.

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