Kriegsgegner gefeuert
Von Susanne Knütter
In Italien und Griechenland bestreiken Hafenarbeiter Waffenlieferungen. In Deutschland ist es offenbar schon zuviel, darüber zu sprechen. So geschehen am Flughafen Leipzig. Christopher T. beteiligte sich am 23. August nach seiner Schicht bei DHL am Flughafen Leipzig/Halle am Protestmarsch »March to Airport«, der sich gegen Waffenlieferungen an Israel richtete. Seine Rede hielt der Verdi-Vertrauensmann demnach auch für Kollegen, die nicht an der Kundgebung teilnehmen konnten. Am 11. September wurde er freigestellt. Am 23. September folgte die außerordentliche fristlose Kündigung. Gegenüber ND begründete DHL die Freistellung mit der angeblichen Weitergabe von Betriebsgeheimnissen im Rahmen seiner Rede. Die Kündigung begründete Pressesprecher Mattias Persson gegenüber jW damit, dass T. »gegen mehrere Auflagen seines Arbeitsvertrags verstoßen« hätte.
T. machte in seiner Rede bei der Abschlusskundgebung des »March to Airport« an Europas größtem Frachtdrehkreuz deutlich, dass das Thema Kriegsunterstützung dort schon länger präsent ist. Ihm und seinen Kollegen sei wichtig, dass ihre Arbeit nicht dem Krieg diene. Er selbst habe beim Entladen der Container bereits Pakete von Rheinmetall in der Hand gehabt, und »da wird einem anders, das will man eigentlich nicht befördern«, so T. Darüber hinaus würden Rüstungslieferungen priorisiert. »Irgendwo auf der Welt werden damit Kriege geführt, und wir sollen das auch noch schneller abfertigen. (…) Da bin ich wirklich strikt dagegen.« Zugleich könne man sich nicht darauf verlassen, dass DHL zur Einsicht kommt und Waffenlieferungen einstellt. Für das Unternehmen sei das ein Riesengeschäft. »Wir müssen auf unsere eigene Kraft vertrauen.« T. verwies auf Häfen in Italien und Griechenland, die »dichtgemacht werden«, wenn sich herausstellt, dass dort entsprechende Container abgewickelt werden.
Mit der Freistellung musste T. bereits Gehaltseinbußen in Kauf nehmen. Ein Viertel des Lohns war entfallen, unter anderem weil die Nachtschichtszulagen fehlten. Nun ist er komplett ohne Erwerb. Aber die Auswirkungen könnten größer sein. T. war aktiver Gewerkschafter im Betrieb und hatte sich in der letzten Tarifrunde nach eigenen Angaben stark eingebracht. Nach monatelangen Streiks und einer Urabstimmung für unbefristeten Arbeitskampf gab es Anfang August eine Einigung auf höhere Löhne und »mehr Wertschätzung«, wie es in Verdi-Flugblättern hieß. Demnächst stehen Organisationswahlen bei Verdi an, im nächsten Jahr Betriebsratswahlen. Generell lebt eine Betriebsgruppe von aktiven Gewerkschaftern. Sich hier einzubringen ist für T. vorerst nicht möglich. Seine Kündigung will T. nicht widerspruchslos hinnehmen und ist dafür bereits mit dem DGB-Rechtsschutz in Kontakt.
Im Gegensatz zu T. dürfte DHL bereits Erfahrung in Kündigungsschutzprozessen haben. Nach jW-Informationen feuert DHL derzeit auffällig viele Beschäftigte am Hub. Erst letzte Woche Dienstag wurde die Klage eines anderen Kollegen vom Arbeitsgericht abgelehnt. Ob die Arbeit bei all den Entlassungen zugleich weniger würde, wollte jW von DHL wissen. Dazu wollte sich DHL aber ebenso wenig äußern wie zu Fragen nach dem Transport von militärischen Gütern und ob dieser nicht den Prinzipien des Konzerns an anderer Stelle widerspreche, z. B. dem Nachhaltigkeitsansatz »Corporate Citizenship« oder der Initiative für Katastrophenschutz »DHL Go Help«, deren 20jähriges Jubiläum DHL jüngst gefeiert hatte.
Die Unterstützung, die T. Palästina und der palästinasolidarischen Bewegung mit seiner Rede zukommen ließ, erfährt er indes selbst. In einem Aufruf fordern das Palästina Aktionsbündnis Leipzig und das Netzwerk Gewerkschafter 4 Gaza von DHL die Rücknahme der Kündigung. Und von den Gewerkschaften verlangen sie, T. auch politisch zu unterstützen. Zahlreiche aktive Gewerkschafter bundesweit haben den Aufruf bereits unterschrieben.
Gewerkschafter4gaza.de/dhl-petition
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