Die, die kämpfte
Von Jürgen Heiser
Die afroamerikanische Freiheitskämpferin Assata Shakur starb am vergangenen Donnerstag in Havanna, Kuba, wo sie die letzten vier Jahrzehnte ihres Lebens im Exil verbracht hatte. Sie wurde 78 Jahre alt. Das kubanische Außenministerium gab bekannt, Shakur sei »aufgrund von gesundheitlichen Problemen und hohen Alters« gestorben. Die frühere Militante der Black Panther Party und der Black Liberation Army (BLA) war dem revolutionären Kuba dafür dankbar gewesen, sie als Repräsentantin der schwarzen Befreiungsbewegung gewürdigt und vor den rassistischen Häschern der US-Bundespolizei geschützt zu haben. Sie starb als freier Mensch und musste nicht das Schicksal so vieler politischer Gefangener aus den indigenen und schwarzen Bewegungen ihres Landes teilen.
Trauer der Tochter
»Worte können die Tiefe meiner Trauer in diesem Moment nicht beschreiben«, schrieb ihre Tochter Kakuya Shakur im Internet. »Am 25. September um etwa 13.15 Uhr hat meine Mutter, Assata Shakur, ihren letzten irdischen Atemzug getan«, erklärte sie und dankte allen, »die ihr mit mir trauert und mir die Kraft gebt, die ich in diesem Moment brauche«. Kakuya war Mitte der 1970er Jahre während des Gerichtsprozesses von ihrer Mutter im Gefängnis zur Welt gebracht worden und wuchs bei Shakurs Tante, der Bürgerrechtsanwältin Evelyn Williams, in den USA auf.
Für eine freiere Welt
Prison Radio bedauerte am Freitag in einer kurzen Mitteilung den Verlust »einer Revolutionärin, Schriftstellerin und leidenschaftlichen Verfechterin der Befreiung der Schwarzen«. Ihr Leben sei »geprägt gewesen von Mut und Trotz«. Assata habe sich gegen das Unterdrückungssystem gestellt und »Generationen dazu inspiriert, Widerstand zu leisten, sich zu organisieren und sich eine freiere Welt vorzustellen«. Dass »selbst die mächtigsten Gefängnismauern und die schlimmste staatliche Unterdrückung überwunden werden können«, habe sie in ihrem Gedicht »Bekenntnis« ausgedrückt: »Wenn ich überhaupt etwas weiß, dann, dass eine Mauer nur eine Mauer ist und sonst gar nichts. Sie kann niedergerissen werden.«
In diesem Bewusstsein trat sie von ihrem Exil aus unermüdlich für politische Gefangene ein. Über Mumia Abu-Jamal schrieb sie einmal (siehe jW vom 18. Mai 2015): »Als ich das erste Mal die Aufnahme eines von Mumia Abu-Jamal im Gefängnis geschriebenen und gesprochenen Radiobeitrags hörte, begriff ich sofort, warum Justiz und Polizei der Vereinigten Staaten von Amerika von Anfang an so entschlossen waren, ihn hinzurichten. (…) Wir können Mumia retten, und wir müssen ihn retten! Weil wir unseren Bruder hier draußen an unserer Seite im Kampf für die Freiheit brauchen. Befreien wir Mumia Abu-Jamal und alle politischen Gefangenen!«
Nicht aufzuhalten
Als sie selbst ab 1973 über sechs Jahre in Haft saß, habe »ihre Stimme stets das Leben, die Wahrheit und die Möglichkeit der Veränderung bekräftigt, selbst in den dunkelsten Zeiten«, so Prison Radio. »Jeder Versuch, sie aufzuhalten, war zum Scheitern verurteilt«, so der seit 35 Jahren inhaftierte Kevin »Rashid« Johnson schon vor einem Jahr in einem Beitrag über Assata Shakur. »Sie dachten, eine Zelle würde sie aufhalten, aber das sollte nicht sein, die Liebe der Menschen befreite sie«, schrieb Johnson über die listige Aktion, mit der die BLA sie Anfang November 1979 aus einem Gefängnis in New Jersey befreite und ihr den Weg eröffnete, auf die kubanische Insel zu gelangen, wo sie 1984 politisches Asyl fand. Die Bedeutung ihres afrikanischen Namens passe perfekt zu ihr, erklärte Johnson: »Die, die kämpft – Assata.« Ein ausführlicher Nachruf folgt.
Hintergrund: Biographisches
Assata Shakur wurde am 16. Juli 1947 als JoAnne Deborah Byron im New Yorker Stadtteil Jamaica geboren. Wie viele Mitglieder der Black Panther Party nahm sie einen afrikanischen Namen an: Assata Olugbala Shakur. Bei einer als Verkehrskontrolle getarnten Verhaftung dreier untergetauchter Mitglieder der Black Panther Party am 2. Mai 1973 wurde Assata Shakurs Lebensgefährte Zayd Malik Shakur erschossen und Sundianta Acoli (geb. 1937) verhaftet. Er wurde 2022 aus der Haft entlassen. Assata Shakur wurde am 2. November 1979 aus dem Gefängnis befreit. Nach Jahren im Untergrund erhielt sie 1984 politisches Asyl in Kuba, wo sie auch ihre Autobiographie »Assata« schrieb
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