»Kein Geld der Welt ist es wert«
Interview: Andreas Müller
Was ging Ihnen durch den Kopf, als Sie vom Entschluss des Schwimmers Marius Kusch von der SG Essen erfuhren, im kommenden Mai in Las Vegas an den Dopingspielen namens Enhanced Games teilzunehmen?
Das ist die persönliche Entscheidung eines Sportlers. Ich halte sie für absolut fatal. Er scheint die damit einhergehenden gravierenden Folgen zum Beispiel für seine Gesundheit auszublenden. Hinzu kommt, dass er damit ein verheerendes Signal sendet, vor allem an jüngere Athletinnen und Athleten. Kusch selbst hatte bis 2024 für den Deutschen Schwimmverband an offiziellen internationalen Wettkämpfen teilgenommen.
»Enhanced« bedeutet je nach Kontext »verbessert«, »verstärkt«, »erhöht«, »gesteigert«. Inzwischen trägt sich die NADA mit dem Gedanken, in Sachen dieser völlig neuen Form des sportlichen Wettkampfs die Doping-Schwerpunkt-Staatsanwaltschaften einzuschalten. Mit welcher Intention?
Es ist ja nicht nur so, dass diese Veranstaltung unserer Auffassung von einem sauberen und dopingfreien Sport diametral entgegensteht. Wir haben außerdem in der Bundesrepublik ein Antidoping-gesetz, das für deutsche Leistungssportlerinnen und -sportler klar und deutlich festschreibt: Doping ist illegal und strafbar. Insofern ist es nur konsequent, dass sich die Staatsanwaltschaften dafür interessieren, auch wenn dieser Sportler keinem Fördersystem mehr angehört, seinen Wohnsitz inzwischen in den USA hat und wir ihn nicht belangen können. Doch eines ist klar: Nach deutschem Recht würde umgehend ein Ermittlungsverfahren eingeleitet, sollte hierzulande jemand positiv getestet werden oder sich anderweitig, zum Beispiel durch den Handel mit Dopingmitteln, strafbar machen. Was die Enhanced Games selbst betrifft, so ist das eine reine Privatveranstaltung außerhalb jedes offiziellen Rahmens, so dass die Antidopingregeln und ihre Durchsetzung völlig ausgehebelt werden.
Was kann die NADA tun – appellieren, warnen, drohen?
Auch alle anderen Antidoping-agenturen haben sich ganz klar und eindeutig positioniert: Wir lehnen diese Veranstaltung ab, weil sie mit den Werten von Integrität und einem sauberen Sport, für die wir stehen, nicht das Geringste zu tun hat. Vor allem das gesundheitliche Risiko und mögliche Schäden für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer werden vollkommen verharmlost. Das ist aus unserer Sicht besonders fatal, denn gerade mit Blick auch auf die deutsch-deutsche Leistungssportgeschichte und ihre Dopingvergangenheit wissen wir sehr genau, welche schweren gesundheitlichen Folgen systematisches Langzeitdoping nach sich zieht.
Die größte Verlockung bei den Enhanced Games ist das exorbitante Preisgeld. In den drei Sportarten Schwimmen, Leichtathletik und Gewichtheben werden vom 21. bis 24. Mai in jedem Wettbewerb angeblich jeweils knapp 425.000 Euro ausgeschüttet, die Hälfte davon an die jeweiligen Sieger.
Hier werden völlig falsche Anreize gesetzt. Kein Geld der Welt ist es wert, dass man dafür seine Gesundheit so bewusst aufs Spiel setzt. Trotzdem gilt es Lehren zu ziehen, wie wir in unserem Fördersystem mehr wertschätzen, wenn Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene diese Phasen ihres Lebens für den Leistungssport opfern und in jungen Jahren viele Entbehrungen auf sich nehmen. Das müsste sich meines Erachtens besser niederschlagen. Darüber sollten wir uns mehr Gedanken machen und die Interessen der Athletinnen und Athleten ernster nehmen, auch wenn es mit der staatlichen Altersvorsorge für Kaderathletinnen und -athleten schon gute Ansätze gibt.
Zu den Finanziers dieser Dopingspiele gehört unter anderem der Deutsche Christian Angermayer, der es mit Biotechunternehmen in den USA zum Milliardenvermögen brachte. Haben Sie schon einmal versucht, diesen Leuten ihr Projekt auszureden?
Da liegen unsere ethischen und moralischen Ansätze und unsere Sichtweisen auf den Sport und seine Werte viel zu weit auseinander, als dass es sich lohnen würde, dieses Gespräch zu suchen.
Lars Mortsiefer ist Vorstandsvorsitzender der Nationalen Anti-Doping-Agentur (NADA)
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