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Aus: Ausgabe vom 27.09.2025, Seite 7 / Ausland
Republik Moldau

Kampf um ein kleines Land

Parlamentswahl in Moldau: Schon vor der Abstimmung überhäufen sich Anhänger Moskaus und Brüssels mit Fälschungsvorwürfen
Von Reinhard Lauterbach
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Nicht nur EU-Fans demonstrieren in Moldau. Linke halten es mit dem Block der Patrioten (Chișinău, 25.9.2025)

In Moldau sind an diesem Sonntag etwa zwei Millionen Menschen aufgerufen, das Parlament neu zu wählen. Der Ausgang des Rennens gilt als äußerst knapp, und die internationale Aufmerksamkeit wird dadurch verstärkt, dass Moldau heute ein Schauplatz der geopolitischen Auseinandersetzung zwischen der EU und Russland geworden ist. Jede Seite versucht, »ihre« Kandidaten nach vorn zu pushen: mit symbolischen Auftritten von Spitzenpolitikern der »Europäischen Volkspartei« einschließlich Bundeskanzler Friedrich Merz an der Seite der »proeuropäischen« Staatspräsidentin Maia Sandu die einen, mit mutmaßlichem Stimmenkauf und Propagandavideos auf Tik Tok die anderen, die eher auf eine Zusammenarbeit mit Russland orientierten Parteien. So jedenfalls die Erzählung der »Proeuropäer«.

Zur Wahl treten 15 Parteien, vier Parteienbündnisse und mehrere Einzelkandidaten an. Ernsthafte Chancen räumen die Umfragen vier Kräften ein: der regierenden »Partei der Aktion und Solidarität« (PAS) von Präsidentin Maia Sandu, dem »Block der Patrioten« aus Sozialisten, zwei kommunistischen und mehreren kleineren Parteien, der Gruppierung »Alternative« um den Bürgermeister der Hauptstadt Chișinău, Ion Ceban, und der Organisation »Unsere Partei« des Geschäftsmanns Renato Usatîi. Die moldauische Gesellschaft ist traditionell in ungefähr gleich starke Lager von »Prorussen« und »Proeuropäern« gespalten, so dass Wahlen hier traditionell knapp ausgehen.

Die PAS will Moldau bis 2028 in die EU führen, die »Patrioten« unter der Führung des früheren Staatspräsidenten Igor Dodon dagegen wollen die Neutralität von Moldau in der Verfassung festschreiben und die unter Maia Sandu stark verschlechterten Beziehungen des Landes zu Russland wiederaufleben lassen. Die »Alternative« spricht sich ebenfalls für die Neutralität von Moldau aus, »Unsere Partei« hält sich alle Optionen offen in der Hoffnung, von einer der großen Parteien als Koalitionspartner gebraucht zu werden.

Dass die PAS die absolute Mehrheit, mit der sie seit 2021 regiert hat, halten kann, gilt als äußerst unwahrscheinlich. Der Regierungspartei werden noch etwa 35 Prozent zugetraut, wobei sich dieses Potential sehr unterschiedlich auf In- und Ausland verteilt. Bei der letzten Parlaments- und der Präsidentschaftswahl 2024 hatte Sandu ihre Erfolge vor allem dem starken Engagement von in die EU emigrierten Moldauern zu verdanken. Hier erhielt Sandu persönlich 82 Prozent der Stimmen; nur im Inland hätte sie sowohl die Präsidentenwahl als auch das gleichzeitige EU-Referendum verloren. Im Gegensatz dazu hatten die moldauischen Behörden versucht, die Stimmen der nach Russland migrierten Moldauer möglichst wenig ins Gewicht fallen zu lassen. 2024 waren etwa in der EU über 120 Wahllokale für Auslandsmoldauer eingerichtet worden, in ganz Russland dagegen nur drei.

Dem »Block der Patrioten« trauen die Soziologen zwischen 25 und 35 Prozent zu, wobei die große Spannbreite der Prognosen zeigt, dass auf moldauische Umfragen nur bedingt Verlass ist. Ob die »Alternative« und »Unsere Partei« ins Parlament einziehen, ist nach den Vorwahlbefragungen unklar.

Die PAS-Regierung versucht, alle Proteste gegen sich als russisch gesteuert darzustellen, und geht gegen Kritiker mit administrativen und juristischen Mitteln vor. Erst diese Woche wurden 74 Aktivisten des »Blocks der Patrioten« wegen angeblich illegaler Parteienfinanzierung und Stimmenkaufs festgenommen; ein Protestcamp in der Innenstadt von Chișinău hatte die Polizei zuvor unter Beschlagnahmung von »74 Zelten, 76 Schlafsäcken und einer Luftmatratze« aufgelöst. Welche Rolle der Stimmenkauf tatsächlich spielt, ist schwer einzuschätzen. Ein Beitrag der Deutschen Welle sprach am Freitag davon, dass sich 300.000 Moldauer auf einer russischen Chatapp dafür registriert hätten, für eine Stimmabgabe gegen Sandu ein Honorar zu bekommen. Andere Zahlen zum selben Thema liegen weit niedriger.

Mit einem knappen offiziellen Wahlergebnis zugunsten der PAS rechnet offenbar auch Russland. Aber auch mit möglichen Unruhen danach. Eine Anfang dieser Woche veröffentlichte Analyse des Auslandsgeheimdienstes SVR schloss nicht aus, dass Sandu solche Proteste gewaltsam niederschlagen werde und, falls dies nicht gelingen sollte, EU-Truppen zu Hilfe rufen könnte. Die Thesen stützen sich auf beim SVR »vorliegende Erkenntnisse«, die nicht näher spezifiziert wurden.

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