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Aus: Ausgabe vom 27.09.2025, Seite 4 / Inland
Deutsche Wohnen und Co. enteignen

Arbeit des Senats gemacht

Berliner Initiative »Deutsche Wohnen und Co. enteignen« präsentiert eigenen Gesetzentwurf für Vergesellschaftung großer privater Wohnungsbestände
Von Kristian Stemmler
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Momentum verflogen? Straßenfest ein Jahr nach dem Volksentscheid (24.9.2022)

Vor vier Jahren sprach sich eine große Mehrheit der Berliner bei einem Volksentscheid dafür aus, die großen Wohnungskonzerne der Stadt zu enteignen. Doch der Senat verschleppt die Umsetzung bis heute. Für die Initiative »Deutsche Wohnen und Co. enteignen« (DWE), die den Volksentscheid auf den Weg brachte, ist das kein Grund aufzugeben. Am Freitag hat die Initiative bei einer Pressekonferenz einen Gesetzentwurf vorgestellt, der die Überführung von rund 220.000 Wohnungen der großen Konzerne in Gemeineigentum regelt. Über den Entwurf sollen die Berlinerinnen und Berliner bei einem zweiten Volksentscheid abstimmen, den die Initiative vor zwei Jahren angesichts der Untätigkeit von Senat und Abgeordnetenhaus angekündigt hatte.

Sie habe es »endlich in der Hand, den Mietenwahnsinn aus eigener Kraft zu stoppen«, erklärte DWE-Sprecherin Isabella Rogner zur Rolle der Bevölkerung. Wenn auch dieser Volksentscheid eine Mehrheit finde, gebe es keine Ausflüchte mehr, »dann tritt das Gesetz sofort in Kraft«, sagte Rogner, die von einem »historischen Moment« sprach. Zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik werde ein Gesetz vorgelegt, das eine Vergesellschaftung auf der Basis des Artikels 15 des Grundgesetzes ermöglicht. Der bei Immobilienkonzernen und ihren politischen Fürsprechern ungeliebte Artikel erlaubt dem Staat, »Grund und Boden, Naturschätze und Produktionsmittel« in Gemeineigentum zu überführen, wurde aber noch nie angewandt.

Der Gesetzentwurf ist in den vergangenen zwei Jahren in Kooperation mit der Berliner Kanzlei Geulen & Klinger und einem wissenschaftlichen Beirat erarbeitet worden. Das Ergebnis ist ein 20seitiges Gesetz mit 37 Paragraphen und einer 100 Seiten langen Begründung, das die Vergesellschaftung aller Wohnungen von Konzernen mit mehr als 3.000 Wohnungen in Berlin regelt. Die Bestände werden bei Inkrafttreten in eine demokratische Anstalt öffentlichen Rechts überführt. »Zu allen juristischen Fragen haben wir überzeugende und rechtssichere Antworten gefunden«, betonte Armin Rothemann, Jurist und Sprecher der Initiative.

In Berlin gibt es etwa 1,7 Millionen Wohnungen, der Gesetzentwurf betrifft davon 13 Prozent. Als Entschädigung sollen die Konzerne demnach etwa 40 bis 60 Prozent des heutigen Werts der Wohnungen erhalten. Acht bis 18 Milliarden Euro werden dafür von der Initiative einkalkuliert, das sind 36.000 bis 82.000 Euro pro Wohneinheit. Bezahlt werden solle das ohne Milliardenkredite des Landes über sogenannte Schuldverschreibungen. Deren Abzahlung solle inklusive Verzinsung über einen Zeitraum von 100 Jahren durch die Mieteinnahmen erfolgen. Das entkräftet ein Argument der Gegner einer Enteignung, die auf Belastung des Haushalts durch die Entschädigungen verweisen.

»Wir transformieren mit unserem Gesetz die Art und Weise, wie Wohnraum verwaltet wird«, erklärte Rogner. Das Gesetz garantiere den Mieterinnen und Mietern »bezahlbares und sicheres Wohnen«. Die vergesellschafteten Wohnungen könnten nicht mehr verkauft werden, die Mieten würden nicht mehr erhöht. Das habe einen »dämpfenden Effekt« auf den Berliner Mietenspiegel, sagte die DWE-Sprecherin. »Mit der Vergesellschaftung verhindern wir Verdrängung, Armut und soziale Spaltung. So wird Wohnen wieder bezahlbar – und Berlin bleibt unsere Stadt.« Die Abstimmung in der letzten Stufe des Volksentscheids werde nicht vor 2027 erfolgen.

Ulrike Hamann-Onnertz, Geschäftsführerin des Berliner Mietervereins, sprach bei der Pressekonferenz von einem »guten Tag für die Berliner Mieter und Mieterinnen«. Die Initiative DWE habe mit ihrem Gesetzentwurf eine konkrete Anleitung geliefert, »um den Mietenwahnsinn zu stoppen und die Vergesellschaftung umzusetzen«. Dabei seien faire Verfahren zur Entschädigung gefunden worden. Die Zweiprozentpartei FDP sieht das anders. Sie demonstrierte vor der Tür unter dem Motto »Bauen statt Klauen« für weniger Vorschriften beim Hochziehen neuer Wohngebäude.

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