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Aus: Ausgabe vom 26.09.2025, Seite 4 / Inland
Debatte in der Linkspartei

Wieder Kurs auf »Rot-Rot-Grün«

Die Linke: Zwei Zusammenschlüsse des rechten Flügels wollen »programmatische Erneuerung«
Von Nico Popp
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Wieder auf Empfang: Dietmar Bartsch

Kaum ist die Partei Die Linke ein paar Schritte von der Grube zurückgetreten, in der sie noch zur Jahreswende mit einem Bein stand, steht mal wieder »Erneuerung« auf der Tagesordnung. Das Portal Table.Media hat »exklusiv« ein »Grundsatzpapier« zur Verfügung gestellt bekommen, das dem Vernehmen nach Resultat einer »Annäherung« zweier innerparteilicher Strömungen ist: des Forums Demokratischer Sozialismus (FdS) und des Netzwerks Progressive Linke. Überschrift des siebenseitigen »gemeinsamen Aufrufs«: »Die Erneuerung der Linken organisieren«. Als organisationspolitisches Ziel wird darin die Schaffung einer »breiten Plattform« ausgegeben, die nicht zuletzt die »programmatische Erneuerung« antreiben soll.

Die bei Table.Media präsentierte Einordnung, wonach es sich beim FdS und dem »progressiven« Netzwerk um bislang »konkurrierende Flügel« handelt, ist etwas irreführend: Die beiden Zusammenschlüsse sind wesentliche Säulen des rechten Flügels der Partei. Das FdS steht für die alte Rechte mit Wurzeln in der PDS, das »Netzwerk« für den neueren Opportunismus »progressiv«-liberalen Zuschnitts. Das FdS galt lange als zerfallen, weil sich einige prominente Akteure – vorneweg der ehemalige Fraktionschef Dietmar Bartsch – mit dem einstigen Wagenknecht-Lager in der Bundestagsfraktion verbündet und dort eine Mehrheit gebildet hatten. Diese Richtung vertrat in der Parteikrise die taktische Position, dass Wagenknecht in der Partei gehalten werden müsse, um deren schieres Überleben zu sichern. Die seit 2022 organisiert auftretenden »Progressiven« arbeiteten dagegen auf diese Spaltung hin.

Von beiden Zusammenschlüssen ist zuletzt wenig zu hören gewesen. Im Oktober 2024 waren mehrere »progressive« Genossen ausgetreten – ein demonstratives Zeichen der Unzufriedenheit auch mit dem beim Bundesparteitag in Halle eingeschlagenen Kurs des innerparteilichen Ausgleichs. Seither hat das überraschende »Comeback« der Partei, als das der Zustrom Zehntausender neuer Mitglieder und der Übergang von Teilen der Wählerschaft von Grünen und SPD zur Linkspartei bei der Bundestagswahl im Februar vielfach betrachtet wird, die Karten wieder neu gemischt.

Der »gemeinsame Aufruf« wartet vor diesem Hintergrund mit altbekannten Positionen auf. Im Mittelpunkt einer »strategischen Debatte« müsse stehen, »in absehbarer Zeit Mehrheiten für eine progressive Politik zu schaffen«. Eingerahmt ist diese Orientierung nun mit der Diagnose, dass nur so der von der »radikalen Rechten« ausgehenden Gefahr zu begegnen sei. Als Bedingung dafür wird eine »programmatische und strategische Erneuerung« der Linkspartei eingefordert, die den Weg öffnet für »eine Mitte-Links-Mehrheit im Bund« bzw. »Rot-Rot-Grün«, und zwar bereits im Jahr 2029.

Gefordert wird weiter, dass die Partei ihre »zögerliche« Haltung »zum Prozess der europäischen Integration« aufgibt. Fällig ist aus Sicht der Verfasser auch der nächste »unwiderrufliche« Bruch »mit dem Politikansatz einer autoritären Linken, egal welcher Art, Traditionslinie oder Bewegungsform« – »Staatssozialismus«, »hilfloser Antikapitalismus«, »Zusammenbruchphantasien« und »antiwestliche Ressentiments« sind schlecht. In Acht und Bann getan wird auch »eine Appeasementpolitik, die die Selbstbestimmung der Ukraine aus Bequemlichkeit opfert«, sowie »eine Nahostpolitik, die reaktionär-faschistische Kräfte als antikoloniale Befreiungskämpfer durchgehen lässt«. Mitglieder, die ausgedachte Bestimmungen dieses Kalibers einleuchtend finden, werden für Ende November zu einem Treffen in Leipzig eingeladen – »insbesondere auch Mitglieder (…), die in den letzten Monaten und Jahren neu eingetreten sind«.

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  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Joachim S. aus Berlin (26. September 2025 um 07:16 Uhr)
    Der große Besen, der im Dezember 1989 Gregor Gysi überreicht wurde, hat wahrlich alles Sozialistische aus dieser Partei herausgekehrt. Übriggeblieben sind neben tapferen Streitern, die immer noch nicht gemerkt haben, wie oft man sie von der Spitze her spiegelfechten lässt, ziemlich viele zu den Futtertrögen der parlamentarischen Demokratie »Aufstrebende« die das Linkssein bei jeder passenden Gelegenheit zur hohlen Phrase verkommen lassen. Jetzt rächt sich endgültig, dass man nicht mehr weiß, zu welchem Zweck man einst wie und wohin aufgebrochen ist und ständig nur noch versucht, auf dem schwankendem Boden der bürgerlichen Gesellschaft mitzutanzen. Dass man dabei gesetzmäßig selbst ins Schwanken und letztendlich ins Trudeln gerät: Wen stört's, wenns letztendlich nur ums Mitregieren, aber nicht mehr ums Verändern geht?

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