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Aus: Ausgabe vom 26.09.2025, Seite 2 / Inland
Aufwuchs der Bundeswehr

»Wir stellen uns gegen jeden Zwangsdienst«

Wehrdienstgesetz bereitet Wehrpflicht vor. Linke diskutiert eigene Angebote zur Kriegsdienstverweigerung. Ein Gespräch mit Desiree Becker
Interview: Daniel Hager
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Eine der Karten, die die Bundeswehr anhand von Meldedaten an Jugendliche verschickt (27.8.2025)

Derzeit werden Stimmen auch aus der Regierung laut, dass es mit dem neuen Wehrdienst nicht bei der bloßen Freiwilligkeit bleiben soll. Haben Sie die Befürchtung, dass dieses neue Gesetz quasi die Wehrpflicht durch die Hintertür bringt?

Tatsächlich sehe ich das als Vorbereitung für die Wiedereinführung der Wehrpflicht. Dieses neue Gesetz hat im Entwurf schon verpflichtende Elemente. Männer müssen den neuen Fragebogen ausfüllen. Ab 2027 wird es auch eine verpflichtende Musterung geben. Was man damit bewirken will, das hat Boris Pistorius (Verteidigungsminister, jW) mehrmals gesagt: Man möchte junge Menschen dazu zwingen, sich mit dem Wehrdienst auseinanderzusetzen, um dann Leute in die Bundeswehr zu bekommen.

Wir sind die einzige Partei, die dieses neue Gesetz ablehnt. Aber wir sind auch die einzige (im Bundestag, jW), die sich dieser Militarisierung entgegenstellt. Dieses Geld, was da gerade im Haushalt für Verteidigung genutzt werden soll, wäre woanders tatsächlich besser aufgehoben. Die Leute können sich ihre Wohnungen nicht mehr leisten.

Können Sie sagen, was jungen Männern passiert, die diesen Fragebogen nicht ausfüllen?

Im Moment steht im Gesetz, dass es Geldstrafen geben soll. Wie die genau ausgestaltet sind, wie die durchgesetzt werden sollen, das wissen wir noch nicht zu diesem Zeitpunkt.

Auch die körperliche Fitness der Angeschriebenen soll erfasst werden. Hat die Bundeswehr Möglichkeiten, auch auf andere Quellen, etwa die Gesundheitsdaten der Krankenkassen, zuzugreifen?

Auch dazu ist uns nichts bekannt. Es ist tatsächlich aber so, dass die Bundeswehr schon das Recht hat, auf Meldedaten zuzugreifen. Das sehen wir bei Werbebriefen der Bundeswehr bei Minderjährigen in den Briefkästen. Die Bundeswehr hat bisher nicht das Recht, auf Gesundheitsdaten zuzugreifen.

Werden im Ernstfall auch die gemustert, die im Fragebogen angeben, dass sie kein Interesse haben an der Bundeswehr?

Ich gehe davon aus, dass dann auf jeden Fall alle verpflichtend gemustert werden. Ist man tauglich, stellt sich die Frage der Kriegsdienstverweigerung. In dem Fall müsse die Leute trotzdem eine Art Zivildienst als Ersatz für den Wehrdienst machen.

Beratungsstellen berichten von vielen Anfragen, gerade von jungen Menschen, die verunsichert sind. Plant Die Linke, langfristig mit diesen Initiativen zu kooperieren oder gar eigene Beratungsangebote zu schaffen?

Wir besprechen gerade, wie wir das machen. Man sollte sich auf jeden Fall an die ausgewiesenen Stellen zur Beratung wenden, wenn man Fragen hat. Es gibt da im friedenspolitischen Bereich zum Beispiel die DFG–VK. Wir können auch weitervermitteln.

Es gibt den verstärkten Einsatz von Jugendoffizieren in Schulen. Organisationen und Initiativen fordern schon jahrelang: »Bundeswehr raus aus den Schulen!«

Wir wollen eine aufgeklärte Jugend und nicht Bundeswehrsoldaten, die praktisch an den Schulen Werbung dafür machen, dass junge Menschen zur Bundeswehr gehen, ohne über die Konsequenzen aufzuklären. Soldatin oder Soldat sein ist kein normaler Job. Im schlimmsten Fall heißt es, auf einen Menschen zu schießen – oder erschossen zu werden.

Aus den Reihen der Linkspartei wurde ein Wahlmodell vorschlagen. Da stellen sich Unternehmen an Schulen vor und bieten an, ein soziales Jahr bei ihnen abzuleisten. Das können Gesundheitsunternehmen sein, aber auch die Bundeswehr. Wie sehen Sie solche Vorstöße?

Wir stellen uns gegen jeden Zwangsdienst – für jedes Geschlecht.

Aufrüstung, Kriegstüchtigkeit, »Zeitenwende«: Das wird mit der Eskalation des Krieges in der Ukraine begründet sowie damit, dass Russland die NATO angreifen werde. Was steckt hinter dieser europaweiten Militarisierung?

Man spielt mit der Angst. Das halten wir für höchst gefährlich. Da sieht man aber auch, wie Politik funktionieren kann. Die Wehrpflicht gehört in die Geschichtsbücher, nicht ins Grundgesetz. Junge Menschen in diesem Land sollten keine Angst vor Schützengräben und Drill haben müssen. Abgeordnete entscheiden über die Wiedereinführung der Wehrpflicht. Die Konsequenzen tragen junge Menschen und ihre Familien.

Desiree Becker ist friedenspolitische Sprecherin der ­Linke-Fraktion im Bundestag.

Video zum Gespräch: kurzlinks.de/desiree-becker-wehrpflicht

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