»Die Bündniskonstellation ist einzigartig«
Interview: Max Ongsiek
In der Öffentlichkeit wenig beachtet finden regelmäßig NATO-Militärkonferenzen statt – so zum Beispiel die »Joint Air and Space Power Conference« vom 30. September bis zum 2. Oktober in der Essener Grugahalle. Wer tauscht sich da worüber aus?
Dort sprechen Vertreter des militärisch-industriellen Komplexes über die Aufrechterhaltung der NATO-Überlegenheit im Luft- und Raumfahrtbereich sowie über die Weiterentwicklung des Bündnisses. Das einladende Joint Air Power Competence Centre, JAPCC, ist eins von 28 Centres of Excellence – das sind multinationale Zentren für Strategie, Ausbildung und länderübergreifende Kooperation innerhalb des Nordatlantikpakts. Wenn ich vom militärisch-industriellen Komplex spreche, dann sind politische Kräfte, Akteure der Rüstungsindustrie, sowie Führungskräfte der NATO, vor allem der Luftwaffe, gemeint. Diverse nationale und internationale Rüstungsunternehmen, die die Konferenz finanziell unterstützen, stellen dort auch aus.
Gegen die Konferenz wird demonstriert. Warum genau?
Wir haben die Aufgabe, alles dafür zu tun, dass die Lebensgrundlage der Menschheit im Atomzeitalter erhalten bleibt. Es geht um den Schutz der biologischen Vielfalt auf unserem Planeten. Das Militär ist für ungefähr 6,5 Prozent des weltweit ausgestoßenen Kohlendioxids verantwortlich. Hinzu kommen die verbrauchten Ressourcen und Verbrennungsabgase bei Kriegen und dem nachfolgenden Wiederaufbau. Aber jeder Krieg ist ohnehin ein Verbrechen. Die NATO-Strategieschmiede in Kalkar gibt es seit ungefähr 20 Jahren. Im Raum Kleve, Uedem und Weeze sind wichtige Bereiche der NATO-Luftverteidigung stationiert, deswegen fand die Konferenz zunächst in Kleve statt. Ab 2015 wechselte man aus Platzgründen in die Messe Essen und ihr Konferenzzentrum. Verantwortlich für den Wechsel war Joachim Wundrak, damals General und JAPCC-Leiter, dann bis 2025 für die AfD im Bundestag.
Auch im Ruhrgebiet hoffen manche angesichts der wirtschaftlichen Krise auf Arbeitsplätze im boomenden Rüstungssektor. Wie geht man in Essen mit der NATO-Konferenz um?
Wenn man nicht darauf aufmerksam macht, bekommt das kaum jemand mit. Dafür gab es kürzlich Jubelberichte in Lokalblättern über die Rüstungsmesse »Euro Defence Expo«, die im nächsten Jahr erstmalig in Verbindung mit der Konferenz in Essen geplant ist. Nun wird Essen zur Drehscheibe der Rüstungsindustrie, so der Tenor.
Für den 30. September ist eine Demonstration des örtlichen Friedensbündnisses geplant. Sie sind als Redner am Start. Was können Sie uns über die Veranstaltung sagen?
Von der Bündniskonstellation her ist die Demonstration einzigartig. Verschiedene Organisationen sind beteiligt oder rufen zur Teilnahme auf. So die VVN-BdA, der Erhard-Eppler-Kreis in der SPD, die Partei Die Linke, das BSW, Pax Christi, DDIF und der DGB der Region. Mit dabei ist auch die Internationale Organisation der Ärzte zur Verhütung des Atomkriegs und der Landesverband der DFG-VK. Los geht es um 16 Uhr in Essen-Rüttenscheid am Stern.
Das Friedensthema beschäftigt immer mehr Menschen. Aber diese Beschäftigung setzt sich vorläufig nur selten in große Mobilisierungserfolge um. Mit welcher Resonanz rechnen Sie bei dieser Demonstration?
Das ist eine schwierige Frage. Letztes Jahr waren wir im dreistelligen Bereich. Deswegen haben wir jetzt auch erst mal zirka 500 Demonstrierende angemeldet. Als die AfD voriges Jahr ihren Bundesparteitag in der Grugahalle abhielt, versammelten sich 70.000 Gegendemonstranten. Das zeigt, dass die antifaschistische Arbeit in unserem Land eine viel größere Resonanz erhält als die Belange der Aufrechterhaltung des Friedens.
Bernhard Trautvetter ist Autor und langjähriger Friedensaktivist
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