IG Metall: Neuer Realismus in der Industrie- und Handelspolitik nötig

Die IG Metall sorgt sich mal wieder um den Standort Deutschland und fordert in einer Presserklärung von Dienstag einen »neuen Realismus« in der Industrie- und Handelspolitik:
Angesichts des Verlusts Zehntausender Arbeitsplätze in Deutschland fordert die IG Metall einen neuen Realismus in Fragen der Industrie- und Handelspolitik. »Die Welt der regelbasierten Handelsordnung ist implodiert. Die USA und China haben sich vom fairen Wettbewerb verabschiedet«, sagte die Erste Vorsitzende der IG Metall, Christiane Benner, anlässlich der Industriekonferenz der Gewerkschaft in Berlin. »Wir müssen dieser neuen Realität etwas entgegensetzen. Weniger Staat ist der falsche Weg, aktiver Staat muss das Leitbild sein. Wir brauchen eine aktive Industriepolitik mit Gestaltungsanspruch. Der Markt allein wird es nicht richten.«
Nach Überzeugung der IG Metall sind verbindliche Local-Content-Regelungen eine Schlüsselantwort auf die neue geoökonomische Realität. »Local Content ist die logische Antwort auf eine Welt, in der Zölle, Subventionen und unfaire Handelspraktiken längst den Alltag bestimmen«, so Jürgen Kerner, der Zweite Vorsitzende der IG Metall. »Wer es ernst meint mit dem Anliegen, Resilienz zu stärken, kritische Technologien zu schützen und Abhängigkeiten zu verringern, der kommt an Local Content nicht vorbei.«
Die Gewerkschaft fordert daher verbindliche Quoten, Pflichten und Auflagen, um wieder mehr Wertschöpfung in Deutschland und Europa zu verwirklichen. »Marktzugang gibt es nicht zum Nulltarif. Wer auf unsere Märkte will, muss auch hier investieren – in Standorte, Arbeitsplätze und Wertschöpfung«, forderte Kerner vor Vertretern aus Politik, Wissenschaft und Betrieben. (…)
Den jüngst veröffentlichten Monitoringbericht zur Energiewende aus dem Bundeswirtschaftsministerium sieht die Gewerkschaft skeptisch. »Der Bericht darf nicht als Begründung für eine Vollbremsung bei der Energiewende herhalten«, warnte Kerner. »Der Strombedarf wird in den nächsten Jahren sehr wohl exorbitant steigen. Wir alle haben ein Interesse daran, dass er steigt – bei mehr E-Autos, Wärmepumpen und elektrifizierten Industrieprozessen.« Gaskraftwerke, die als Brückentechnologie grundsätzlich sinnvoll seien, dürften nicht gegen Solar, Wind und Biomasse ausgespielt werden.
Die IG Metall fordert vielmehr einen massiven Ausbau der Stromnetze, mehr Speicher und Elektrolysekapazitäten, vorrangige Genehmigungsverfahren für Industrieareale, mehr Direktbelieferung von Gewerbe und industriellem Mittelstand, eine effektivere Nutzung der vorhandenen Netzinfrastruktur und einen erheblichen Netzausbau zur Verteilung. Die Finanzierung und die nötigen Förderungen müssen langfristig sichergestellt werden. Daneben drängt die IG Metall weiter auf die schnelle Einführung eines wettbewerbsfähigen Industriestrompreises in Höhe von fünf Cent pro Kilowattstunde. (…)
Neben den richtigen handels- und energiepolitischen Weichenstellungen erfordert die Wirtschaftskrise nach Überzeugung der IG Metall massive öffentliche Investitionen. Das Sondervermögen Infrastruktur und Klimaneutralität muss darum zügig mit konkreten Investitionsprojekten hinterlegt und verausgabt werden. Benner pocht darauf, das Kriterium der Zusätzlichkeit ernst zu nehmen: »Im Kernhaushalt vorgesehene Investitionen dürfen nicht ins Sondervermögen verschoben werden.« (…)
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Joachim S. aus Berlin (24. September 2025 um 06:08 Uhr)Gewerkschaften wurden einst gegründet, um den Arbeitenden mehr Widerstandskraft gegen die sie peinigende Macht des Kapitals zu verleihen. Zunächst erbittert bekämpft, entwickelte das Kapital als bessere Strategie die der Einbindung der Gewerkschaftsführungen: Man gab ihnen das Gefühl, Ratschläge erteilen und wenigstens für einen Moment die besseren Kapitalisten sein zu können. Die vorliegende Erklärung spricht Bände davon, wie bemüht diese Führungen darum sind, »unseren« Kapitalismus zu retten, damit das Kapital getrost das Boot weiter gen Abgrund steuern kann. Denn wer Kapitän ist und wer Leichtmatrose: Das blieb und bleibt ja unverändert, wenn der Leichtmatrose nicht versteht, warum und wie der das Ruder in die eigenen Hände bekommen muss. Damit der Kurs der Mannschaft dient und nicht dem Reeder.
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