Sender Gløjvids
Von Reinhard Lauterbach
Noch hat die dänische Polizei keinen Verdächtigen identifizieren können, der am Montag abend »mehrere Drohnen aus verschiedenen Richtungen« über dem Kopenhagener Flughafen hat kreisen lassen. Aber keine Bange, das wird schon noch kommen. Wie tagesschau.de am Dienstag mittag meldete, »arbeitet die dänische Polizei eng mit Militär und Geheimdienst zusammen«, um festzustellen, wer hinter dem Anschlag, der »keine materiellen Spuren« in Gestalt etwa herabgefallener Drohnenteile hinterließ, steckt, ja stecken muss. Und Wladimir Putin, auf den es über kurz oder lang hinauslaufen wird, darf sich indirekt geschmeichelt fühlen: »Ein fähiger Akteur« sei das gewesen, der die Drohnen gesteuert habe. Und so einen hat bekanntlich in der weiten Welt nur Russland.
Oder? Aus Kiew meldete sich sofort Wolodimir Selenskij zu Wort und versuchte, den gewünschten Dreh mitzugeben: Das sei die Handschrift Russlands gewesen. Die Agenturen mäkelten noch, Beweise habe er keine mitgeliefert. Wie auch? Drei Finger der Hand, mit der Selenskij auf Russland zeigt, weisen auf die Ukraine selbst zurück. Wenn sie sich rühmt, dass ihre Drohnen 1.500 Kilometer nach Osten bis in den Ural reichen, dann können sie genauso gut auch die 1.327 Kilometer Luftlinie von Kiew nach Nordwesten fliegen und Unruhe stiften. Dass die Ukraine vor Anschlägen auf kritische Infrastruktur auch verbündeter Staaten nicht zurückschreckt, also auch Hände beißt, die sie füttern, hat sie ja angeblich schon mit der Nord-Stream-Sabotage bewiesen. Und dass Selenskij von der NATO eine offene Kriegsbeteiligung erwartet, sagt er selbst. Warum sie also nicht herbeiprovozieren? Kiew hat nichts mehr zu verlieren als den Krieg.
Die Ukraine ist der sprichwörtliche Elefant im Raum. Aber es ist diesmal genau wie vor einer Woche in Polen: Wer das Stichwort »Ukraine« bei der Suche nach den Urhebern des Drohnenvorfalls auch nur in den Mund nahm, wurde von Donald Tusk persönlich als Opfer »russisch-belarussischer Desinformation« in den Senkel gestellt. Ohne den Schatten eines Arguments. Die kämpferische Rhetorik der dänischen Ministerpräsidentin Mette Frederiksen, die den Vorfall sofort als den »bislang schwersten Angriff auf Dänemarks kritische Infrastruktur« bewertete, geht in dieselbe Richtung.
Geht’s vielleicht eine Nummer kleiner? Dass »20.000 Passagiere teilweise mehrere Stunden warten mussten«, ist sicher ärgerlich für sie (gewesen), sollte aber für gestählte Nutzer der Deutschen Bahn kein Anlass zu übermäßiger Aufregung sein. Es sei denn, man will Aufregung erzeugen, um zu eskalieren.
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Leserbrief von Istvan Hidy aus Stuttgart (24. September 2025 um 09:54 Uhr)»Es stinkt im Staate Dänemark.« Nicht, weil Shakespeare recht behalten wollte, sondern weil die dänischen Behörden am Flughafen Kopenhagen ein Schauspiel ablieferten, das man eher als Tragikomödie bezeichnen müsste. Drohnen kreisen stundenlang über dem wichtigsten Flughafen des Landes – und die Polizei zuckt mit den Schultern: Man könne sie nicht abschießen, zu gefährlich. Man habe sie nicht rechtzeitig bemerkt, nicht verfolgt, nicht neutralisiert. Sie kamen aus verschiedenen Richtungen, sie verschwanden wieder. Als wären sie Geister aus dem Nichts. Doch Kopenhagen liegt nicht an der Grenze zu Russland oder Belarus. Die Drohnen mussten durch den dänischen Luftraum fliegen, unbemerkt von Radar, Militär, Geheimdienst. Erst über dem Flughafen selbst fiel auf, dass man Besuch hatte. Und als die ungebetenen Gäste wieder verschwanden, blieben nichts als Ausreden zurück. Wer in solchen Situationen gleich den Namen »Russland« ruft, mag sich politisch profilieren – doch die nüchterne Bilanz ist eine andere: Dänemark hat vor aller Welt offenbart, dass es seine kritische Infrastruktur nicht schützen kann. Weder erkennen, noch verhindern, noch bestrafen. Und das ist der eigentliche Skandal: Nicht, wer angeblich dahintersteckt, sondern dass es überhaupt möglich war.
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Leserbrief von Sven Harmgart aus Bernau bei Berlin (24. September 2025 um 01:10 Uhr)Warum lenkt Herr Lauterbach hier den Verdacht auf die Ukraine? Mit Drohnen über europäischen Flughäfen und Industrieanlagen kann man Stimmung für Aufrüstung und Kriegsvorbereitung in den Ländern machen, wo dies jeweils stattfindet, aber nicht dafür, die Ukraine weiterhin zu unterstützen. Es gelten die drei kriminalistischen Grundfragen: Wer hat ein Motiv? Wer hat die Mittel? Wer hat die Gelegenheit? Es ist doch ein Leichtes für westliche Geheimdienste, ein paar Drohnen zu besorgen und jemanden in die Nähe eines Flughafens oder einer Industrieanlage zu schicken, um dort nachts eine Drohne, leuchtend wie eine Discokugel, kreisen zu lassen, damit sie auch von jeder Fernsehkamera aufgezeichnet werden kann. Wer ist hier der Elefant im Raum? Ist es wirklich die Ukraine oder nicht etwa die sogenannte Koalition der Willigen, die für die Umsetzung ihrer Pläne unbedingt die Rückendeckung durch das US-Militär braucht?
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Heinrich H. aus Stadum (23. September 2025 um 21:11 Uhr)Vorsichtshalber wurde die Drohne nicht abgeschossen, Trümmerteile, von Uneingeweihten aufgelesen, hätten womöglich auf ihren Ursprung hinweisen können (das war nicht die offizielle Begründung). Drohnen sind heute das, was früher Nowitschok war. Zum wiederholten Male! Lest: »NATO 2030: Geeint in ein neues Zeitalter«, https://www.auswaertiges-amt.de/blob/2439466/0852f283a611b62ee0c852a700c4a820/201202-reflexionsgruppe-ergebnisse-arbeitsuebersetzung-data.pdf und (hier zum ersten Mal): »Das vierte Leck bei Nord Stream – und immer mehr Fragen«, https://marineforum.online/das-vierte-leck-und-immer-mehr-fragen/
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Leserbrief von Ronald Prang aus Berlin (23. September 2025 um 20:43 Uhr)Sehr gut formulierter Artikel, dem eigentlich Nichts hinzu zufügen wäre. Wenn nicht zeitgleich Trump in der UNO pöbeln würde und die Antifa als terroristische Organisation »branntmarkt«. In Deutschland redet man von Kriegstüchtigkeit und ich frage mich, wer redet die Menschheit hier in den III. Weltkrieg ?
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