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Aus: Ausgabe vom 24.09.2025, Seite 4 / Inland
Etatdebatte

Nächster Aufrüstungshaushalt

Finanzminister Klingbeil legt Budgetplan für 2026 vor. Der Entwurf hat eine klare Linie: Alles fürs Militär
Von Philip Tassev
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Für die Armee hat Klingbeil Milliarden übrig, der Bevölkerung droht er mit »anstrengenden« Entscheidungen

Es war das übliche parlamentarische Trauerspiel. Im Rahmen der Haushaltsdebatte hat Vizekanzler, SPD-Chef und Finanzminister Lars Klingbeil am Dienstag den Haushaltsentwurf der Bundesregierung für das Jahr 2026 im Bundestag vorgestellt. Das Ganze garniert mit Phrasen von »Wachstum«, »sozialem Zusammenhalt« und »Vertrauen der Menschen«. Lässt man die Floskeln beiseite, haben es Klingbeils Aussagen aber durchaus in sich. »Wer glaubt, wir könnten einfach so weitermachen wie bisher, der irrt sich«. Von »großen Veränderungen« war die Rede. Die Regierung werde in den »nächsten Monaten« Entscheidungen treffen »müssen«, die »anstrengend und herausfordernd« seien, stimmte Klingbeil die Bevölkerung auf die kommenden Angriffe von oben ein.

Klingbeils Haushaltsentwurf sieht Ausgaben von 520,5 Milliarden Euro und die Aufnahme von Krediten in Höhe von 174,3 Milliarden Euro vor. Dazu kommen die Ausgaben aus dem »Sondervermögen für Infrastruktur und Klimaschutz« (48,9 Milliarden Euro), aus dem »Sondervermögen« für Aufrüstung (25,5 Milliarden Euro) sowie aus dem »Klima- und Transformationsfonds« (35,7 Milliarden Euro).

Über das dickste Plus darf sich das Ressort von SPD-Verteidigungsminister Boris Pistorius freuen. Der Militäretat soll um mehr als 20 Milliarden Euro auf rund 82,7 Milliarden Euro steigen. Zusammen mit den Ausgaben aus dem »Sondervermögen für Aufrüstung« und weiteren Posten sollen die Rüstungsausgaben 2026 so eine Höhe von rund 2,8 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) erreichen.

Auf dem zurückliegenden NATO-Gipfel Ende Juni in Den Haag hatten sich die Mitgliedstaaten der Kriegsallianz selbst verpflichtet, die Militärausgaben bis 2035 auf 3,5 Prozent des BIP hochzuschrauben – plus 1,5 Prozent für »verteidigungs- und sicherheitsrelevante Bereiche wie Infrastruktur, Industrie und Resilienz«. Zur weiteren militärischen Unterstützung Kiews im Krieg gegen Russland sind im Entwurf 8,5 Milliarden Euro vorgesehen, plus 500 Millionen Euro Rückzahlungen aus der EU. Pistorius wollte zu diesem Zweck ursprünglich beinahe 16 Milliarden Euro.

Angesichts dieses starken Wachstums des Militäretats warf Dietmar Bartsch, (Die Linke), der Regierungskoalition in der Debatte »grenzenlose Aufrüstung« vor. »Es gibt nur eines, was bei Ihnen schneller wächst als die Rüstungsausgaben, das sind die Schulden.« Dabei habe Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) noch im Wahlkampf neue Schulden ausgeschlossen. Er verwies darauf, dass große Teile der Bevölkerung, wie etwa viele Rentner, finanziell kaum über die Runden kämen: »Diese Menschen können weder Ihre Aufrüstungsphantasien finanzieren noch Ihre Haushaltslöcher mit Kürzungen füllen.« Bartsch forderte daher eine höhere Besteuerung großer Vermögen und eine Erbschaftssteuerreform. Eine Besteuerung nach dem Vorbild der USA, Großbritanniens oder Frankreichs könne Mehreinnahmen bis zu 120 Milliarden Euro bringen.

Der Grünen-Politiker Sebastian Schäfer unterstellte der Regierung Konzeptlosigkeit: »Sonntagsreden, Kommissionen, Widersprüche in der Koalition: bisher vor allem Bullshit und nichts Konkretes«. Der von Merz angekündigte »Herbst der Reformen« drohe so zu einem »Winter der Enttäuschungen« zu werden.

Leider irrt sich der Grüne, wenn er die Entscheidungen der Regierung nur auf Unfähigkeit zurückführen möchte. Der Haushaltsentwurf zeigt eine klare Linie: alles für die Aufrüstung. Und wer zig Milliarden Euro für Militär und Kriegsvorbereitung verpulvert, muss eben an anderer Stelle sparen.

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  • Leserbrief von Olaf Perau aus Uelzen (26. September 2025 um 18:07 Uhr)
    Die Finanzierung des Verteidigunsetats bezahlen die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit in Zukunft immer höheren Steuern und Abgaben. Gleichzeitig wird die Rente gekürzt und das Bürgergeld auch. Da in absehbarer Zeit immer mehr Menschen in den Ruhestand wechseln werden, muss hier die Frage gestellt werden, wer dann für das so dringend benötigte Wirtschaftswachstum sorgen soll, welches ja zu großen Teilen aus den unteren bis mittleren Einkommen generiert wird. Die Lösung ist allerdings so einfach wie markaber: wir arbeiten alle in der Rüstungsindustrie und fertigen Granaten, Bomben, Raketen, Panzer und was da sonst noch gebraucht wird, um Menschen und Infrastruktur zu töten und zu zerstören. Denn getötet wird bekanntlich auf beiden Seiten. Das würde aber schlussendlich bedeuten, dass wir für unser Einkommen bezahlen! Denn über die Steuern und Abgaben wird schließlich der Krieg finanziert. So beißt sich die Katze in den Schwanz. Das Problem ist nur: Wenn wir alle in der Rüstung arbeiten, wer produziert den Rest an Dingen, die wir brauchen? Richtig: da gibt es dann einen Antrag auf Befreiung vom Rüstungsdienst für systemrelevante wichtige Tätigkeiten. Also ab in die Fabrik und fleißig Bomben bauen!
  • Leserbrief von Patrick Büttner aus Leipzig (24. September 2025 um 12:35 Uhr)
    Schäfer irrt nicht. Die Typen spielen guter Faschist/böser Faschist. Schäfer hat den Kriegskrediten zugestimmt, was mit Blick auf seine Vita und Parteizugehörigkeit keine Überraschung ist. Abgeordnetenwatch fragt auf seiner Webseite: »Wie tickt Sebastian Schäfer?« Die Antwort lautet: bellizistisch, transatlantisch und das andere Wort mit »isch« am Ende.
  • Leserbrief von Klaus P. Jaworek aus Büchenbach (24. September 2025 um 09:53 Uhr)
    Die SPD, speziell Finanzminister Lars Klingbeil, will alles Geld, das er hat oder das irgendwann einmal den Bürgern in Deutschland gehört hat, sofort wieder mit vollen Händen zum Fenster rauswerfen, und das für haarsträubende Dinge!
    Irgendwie kann dieser Mann mit dem Geld, das ihm einst "anvertraut" werden musste, das ihm somit gar nicht gehört, überhaupt nicht umgehen.
    Für mich kann Lars Klingbeil weder Finanzminister noch Vize; er und seine Verliererpartei SPD gehören einfach nicht in diese Regierung, die sind am Wahltag hier total falsch abgebogen!
  • Leserbrief von Reinhard Hopp aus Berlin (24. September 2025 um 05:52 Uhr)
    »Es kotzt mich an, wie ihr jetzt laut beklagt / Ein sogenanntes tragisches Geschehen. / Was nützt Protest, Entrüstung, Klagen! / Ihr wisst genau, wer jene Mörder sind. / Die haben Liebknecht, Rosa Luxemburg erschlagen. / Die Hintermänner kennt doch jedes Kind. / Sie sind noch da und sie regieren hier, / Die ihren dreckigen Profit aus allem schlagen. / Die legen jene einfach um, die das/ Geschäft zu stören wagen. / Macht endlich Schluss mit diesem faulen Frieden, / Mit unserer Angst, die man hier täglich schürt. / Sonst wird uns wieder mal ein sogenanntes Los beschieden, / Das uns zum dritten Male an die Schlachtbank führt. / Beginnt! Sofort! Die Zeit langt kaum noch hin, / Die Zwischenhändler reiben sich die Hände / Und rechnen auf den ganz großen Gewinn / Und unser Ende.« (Franz Josef Degenhardt / 1968)
    • Leserbrief von Onlineabonnent/in Torsten Andreas S. aus Berlin (24. September 2025 um 16:06 Uhr)
      DANKE, HERR HOPP! Kaum zu fassen, dass uns dieser Text nicht mehr präsent ist. Inner Schule hatter nix zu suchen, oder? Wie die Kinderhymne. Und wir in diesem Lande? Vielleicht warn wir ja mal Antifa.
  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Andreas E. aus Schönefeld (24. September 2025 um 05:10 Uhr)
    Wenn man die Basiszahlen (ohne »Sondervermögen«) zu Grunde legt (Gesamthaushalt: 520, 5 Mrd. Euro; »Verteidigung«: 82,7 Mrd. Euro) reden wir über einen Anteil von knapp 16% für Rüstung - Steuergelder, die ohne Umwege in die Taschen von Rheinmetall und Co. fließen und anteilig in die Taschen der Aktionäre. Allein die Rheinmetallaktie ist seit Februar 2022 im Wert von 100 Euro auf derzeit über 1900 Euro gestiegen. Da haben sich viele eine goldene Nase verdient. Und woran? An STEUERGELDERN! Da werden sicherlich keine Menschen dabei sein, die um ihr täglich Brot kämpfen müssen, die am Monatsende ihre Rechnungen nicht mehr bezahlen können, die die Heizungen abstellen, die selbst keinen Bissen mehr zu sich nehmen, damit die Kinder noch was zu beißen haben. Pfui Teufel - UnSozialdemokratie, aber eben ganz in der Tradition der SPD der 1910er Jahre, in der Tradition derer, die mit ihrer Zustimmung zu den Kriegskrediten den ersten Weltkrieg erst ermöglichten. Und dass Herr Bartsch so auftritt, istAugenwischerei – wer laut darüber nachdenkt, ehemalige NVA-Soldaten in die Heimatschutzdivision zu pressen, hat eines vergessen, die allerjüngsten dieser Soldaten sind heute deutlich über 50 Jahre alt. Oder will Herr Bartsch diese Kompanien dann »Kompanie Silberlocken« nennen? Also was soll das, liebe Linke? Konsequentes Eintreten für Frieden und Abrüstung sieht anders aus. Lest mal wieder euer Parteiprogramm, aber bis zu Pkt. 4.6, also zum Thema Frieden, ist wahrscheinlich noch keiner gekommen. Sonst wären solche Töne wie von Herrn Bartsch sicherlich nicht zu hören.

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