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Aus: Ausgabe vom 23.09.2025, Seite 9 / Kapital & Arbeit
Impfpolitik in den USA

Kennedy chaotisiert Gesundheitspolitik

Ob Hepatitis-B- oder MMRV-Impfung: Vorsorge im Kindesalter durch US-Minister hintertrieben
Von Lars Pieck
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Ersetzt bisherige Experten des Impfbeirats: US-Gesundheitsminister Robert F. Kennedy Jr.

US-Gesundheitsminister Robert F. Kennedy Jr. treibt die Neugestaltung der Impfpolitik voran und setzt sich dabei über Einwände von Wissenschaftlern und Gesetzgebern hinweg. Innerhalb weniger Wochen hat er die Berechtigung für Covid-19-Impfungen eingeschränkt, die Entlassung des obersten Gesundheitsbeamten des Landes veranlasst, die Unterstützung für Impfausnahmen in den Bundesstaaten verstärkt, das Verfahren zur Überprüfung von Impfempfehlungen abgeschafft und einen nationalen Impfbeirat mit ihm genehmen Experten erweitert.

Die US-Impfstoffberater stimmten kürzlich dafür, für die Covid-19-Impfungen eine individuelle Entscheidungsfindung zu empfehlen. Gleichzeitig sprachen sie sich gegen die kombinierte MMRV-Impfung (Masern, Mumps, Röteln, Windpocken) für Kinder unter vier Jahren aus. Statt dessen sollen diese Kinder zwei separate Impfungen erhalten, während die Kombination für die zweite Dosis im Alter von vier bis sechs Jahren weiterhin optional bleibt. Experten sagen, dass diese Änderungen zu Verwirrung führen könnten, möglicherweise zu übersehenen Fällen oder mehr Infektionen. »Der Vorteil von Kombinationsimpfstoffen besteht darin, dass Kinder und Erwachsene die Impfvorschriften eher einhalten«, sagte Impfbeiratsmitglied Cody Meissner.

Der aus der elitären Ostküstenfamilie Kennedy stammende Minister entließ im Juni alle 17 Mitglieder des CDC-Beratungsausschusses für Impfpraktiken und setzte ein neues, kleineres Gremium von zwölf Mitgliedern ein, viele davon prinzipiell kritisch gegenüber Impfungen eingestellt. Merck, Hersteller des MMRV-Kombinationsimpfstoffs, kritisierte, dessen Abstimmung erfolge »ohne neue wissenschaftliche Daten und im Widerspruch zu jahrelangen Erkenntnissen«.

Am Freitag verschob der Rat zunächst seine geplante Abstimmung darüber, ob die Hepatitis-B-Impfung für Neugeborene nicht mehr empfohlen werden soll. Eine Zustimmung hätte zur Folge gehabt, dass die erste Dosis bei Babys, deren Mütter in der Schwangerschaft negativ getestet wurden, von der Geburt auf den ersten Lebensmonat verschoben wird. Kinderärztliche Fachverbände warnen, dass eine Verschiebung der Hepatitis-B-Geburtsimpfung dazu führen könnte, dass Neugeborene ungeschützt bleiben, wenn ihre Mutter infiziert ist oder sie kurz nach der Geburt Kontakt zu Erkrankten haben. Vor Einführung der allgemeinen Impfung 1991 wurden jährlich bis zu 300.000 neue Fälle registriert, über eine Million Menschen lebten mit einer chronischen Infektion. Seither ist Hepatitis B bei Säuglingen in den USA nahezu ausgerottet, bleibt aber bei Erwachsenen mit bis zu 2,4 Millionen chronisch Infizierten ein erhebliches Problem.

Besorgnis herrscht besonders über Änderungen, die sich negativ auf mehr als die Hälfte der US-amerikanischen Kinder auswirken könnten: nämlich jene, deren Impfungen kostenlos sind und durch ein Bundesprogramm finanziert werden, das an die Empfehlungen des CDC-Ausschusses gebunden ist. Als Reaktion auf die Änderungen der bundesweiten Impfpolitik haben sich sieben nordöstliche US-Bundesstaaten zu einer neuen Koalition für öffentliche Gesundheit zusammengeschlossen. Sie wollen künftig eigene Impfempfehlungen aussprechen.

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