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Aus: Ausgabe vom 23.09.2025, Seite 6 / Ausland
Mali/Frankreich

Peitsche und Zuckerbrot

Frankreich weist malische Diplomaten aus und entsendet zugleich russlandfreundlichen Vertreter nach Bamako
Von Bernard Schmid, Paris
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»Zum Tod mit Frankreich und Verbündeten!« – Paris hat sich durch sein Agieren im Sahel wenig Freunde gemacht (Bamako, 4.2.2022)

Zwischen Mali und Frankreich knirscht es. Bis zum Sonntag sollten zwei malische Diplomaten an der Botschaft in Bagnolet bei Paris Frankreich verlassen, nachdem ihnen die französische Staatsmacht Mitte der Woche 72 Stunden Zeit dazu eingeräumt hatte. Beide sollen französischen Angaben zufolge dem malischen Nachrichtendienst Sécurité d’État (SE) angehören – ihre dienstliche Eigenschaft war den Behörden des Aufnahmelands auch offiziell mitgeteilt worden. Frankreich hat auch die »antiterroristische Kooperation« eingestellt, also die Zusammenarbeit bei der Bekämpfung der in Mali seit Anfang der 2010er Jahre sehr aktiven, damals von Norden – Algerien und Libyen – her in den Sahelstaat einsickernden Islamisten. Zunächst hatte Frankreichs Armee ab Januar 2013 militärisch in Mali eingegriffen, war jedoch nach Machtwechseln in Bamako Anfang 2022 zum Verlassen des Landes aufgefordert worden.

Bei den Ausweisungen handelt es sich um unverhohlene Repressalien wegen der Verhaftung des französischen Nachrichtendienstagenten Yann Vézilier Mitte August in Malis Hauptstadt Bamako. Seine Zugehörigkeit zum französischen Auslandsgeheimdienst DGSE wird mittlerweile auch offiziell zugegeben. Die malischen Behörden werfen ihm vor, in einen laut ihren Angaben in der ersten Augusthälfte aufgedeckten Putschversuch von Militärs verstrickt zu sein, in dessen Zusammenhang 55 Soldaten und Offiziere festgenommen worden waren. Hintergrund sind Machtkämpfe in der seit 2020 amtierenden, mehrfach umgebildeten Militärregierung sowie Auseinandersetzungen über den weiteren Weg.

Die französische Exekutive scheint parallel zu den Ausweisungen noch auf eine andere Karte zu setzen, um verschlossene oder zugeschlagene Türen in ihrer früheren Einflusszone im Sahel wieder aufstoßen zu wollen. So titelte Jeune Afrique jüngst anlässlich der Ernennung des Diplomaten Thibaut Fourrière zum neuen »Geschäftsträger der französischen Botschaft« in Bamako – den Botschafter Frankreichs hatte Mali ebenfalls 2022 ausgewiesen –, »In Mali baut Frankreich auf einen russlandfreundlichen Diplomaten«. Fourrière ist der russischen Sprache mächtig und gilt den Interessen Moskaus gegenüber als aufgeschlossen. Er war in der Vergangenheit unter anderem französischer Botschafter in Kirgistan, von 2013 bis 2017 Generalkonsul in Sankt Petersburg und dann bis 2020 Nummer zwei in der Hierarchie in der französischen Botschaft in Algier. Anscheinend glaubt man in Paris, ein Dialog zwischen europäischen Mächten könne auch in Mali wieder zu einer freundlicheren Atmosphäre gegenüber Frankreich beitragen – schließlich stützt sich Bamako bei der Bekämpfung von Islamisten heute auf das russische »Afrikakorps«.

Unterdessen eskaliert vor Ort in Mali der Krieg der Islamisten, die Offensiven in neuartiger Form gestartet haben. Bislang vermochte es die Militärregierung trotz der Hilfe aus Moskau nicht, dieser Situation Herr zu werden. In der ersten Septemberwoche hatte die »Gruppe zur Unterstützung des Islam und der Muslime« (nach dem arabischen Namen JNIM abgekürzt), die Al-Qaida angehört, eine Blockade von Kayes und Nioro du Sahel angekündigt. Die beiden Städte mit 130.000 bzw. 50.000 Einwohnern haben strategische Bedeutung aufgrund ihrer Lage an wichtigen Ausfallstraßen und Verkehrsverbindungen nach Senegal bzw. Mauretanien. Dazu gehört im Falle von Kayes, der Hauptstadt der ersten, im Westen des Landes gelegenen Verwaltungsregion, auch die Bahnlinie von Bamako nach Dakar, die für das Binnenland Mali einen wichtigen Zugang zur Atlantikküste darstellt.

Während einer Woche attackierten Kombattanten der dschihadistischen Organisation zuletzt LKW, die auf eine der beiden Städte zusteuerten. Einwohner fürchteten daraufhin eine bevorstehende Knappheit an Nahrungs- und anderen Grundbedarfsmitteln. JNIM fordert bislang von der Bevölkerung vor allem, ihr »Embargo« einzuhalten, das eine Lieferung von Treibstoff an die beiden Städte verhindert. Auf diese Weise versuchen die Dschihadisten, die staatlichen Strukturen im Westen des Landes ökonomisch in die Knie zu zwingen.

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