Massenprotest gegen rechts
Von Volker Hermsdorf
In einer der größten Protestwellen seit Jahren finden in Brasilien seit Tagen Massendemonstrationen statt, um die von der rechten Parlamentsmehrheit vorangetriebene Amnestie für Expräsident Jair Bolsonaro und dessen Anhänger zu verhindern. Allein am Sonntag gingen in 33 Städten, darunter 22 Landeshauptstädte, Hunderttausende gegen zwei Parlamentsinitiativen auf die Straße: eine geplante Amnestie für die Beteiligten des Putschversuchs gegen den gewählten Staatschef Luiz Inácio Lula da Silva vom 8. Januar 2023 sowie eine Verfassungsänderung, die Abgeordneten und Senatoren weitreichende Immunität verschaffen soll.
Der 70jährige Bolsonaro wurde vor wenigen Tagen zu mehr als 27 Jahren Haft verurteilt und steht derzeit unter Hausarrest. Unter dem Motto »Kongress – Feind des Volkes« forderten jeweils mehr als 40.000 Demonstranten in Großstädten wie São Paulo, Rio de Janeiro, Brasília und Salvador die Ablehnung des von der Rechten zu seinen Gunsten eingebrachten Gesetzespakets, das in ihren Augen die Demokratie gefährdet. Am Copacabana-Strand von Rio nahmen auch die populären brasilianischen Musiker Caetano Veloso, Gilberto Gil und Chico Buarque an den Protesten teil.
Seit Mitte September drängen Bolsonaros Anhänger im Kongress auf eine Abstimmung über ein Amnestiegesetz, das im Dringlichkeitsverfahren behandelt werden soll. Eingebracht wurde es vom evangelikalen Hardliner Marcelo Crivella, durchgesetzt mit 311 Stimmen der Rechten bei nur 163 Gegenstimmen. Der Entwurf soll jene freisprechen, die im Januar 2023 die Sitze der drei Gewalten in Brasília stürmten. Doch nicht nur diese Amnestiepläne lösten Empörung aus. Parallel treibt die Rechte eine Verfassungsänderung voran, die sogenannte PEC des Schutzes. Diese Initiative sieht vor, dass Abgeordnete, Senatoren und Parteichefs bei Verdacht auf Straftaten nur nach einer in geheimer Abstimmung erfolgten Zustimmung des Parlaments verfolgt werden können. Kritiker warnen vor einer »Lizenz zur Straflosigkeit«, einem »Blankoscheck für politische Kriminalität«.
Die Arbeiterpartei (PT) verurteilte die Pläne scharf. In einer Erklärung der Senatsfraktion hieß es, sie verletzten die Verfassung und verwandelten das Parlament in ein »Refugium für illegale Taten«. Präsident Lula da Silva erklärte, er werde jedes Amnestiegesetz durch sein Veto stoppen. »Die Verbrechen, für die Bolsonaro verurteilt wurde, rechtfertigen keine Amnestie«, erklärte Lula.
Während die Proteste in Brasilien noch anschwellen, wächst die Sorge, dass der Kongress mit den Initiativen das politische Klima im Land weiter vergiftet. Die Ereignisse fallen zudem in eine Phase internationaler Spannungen. Lula reiste am Sonntag zur UN-Vollversammlung nach New York – im Schatten eines eskalierenden Konflikts mit US-Präsident Donald Trump, der Bolsonaro offen unterstützt und wegen des Prozesses gegen diesen Strafmaßnahmen gegen Brasilien verhängt hat.
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