Quittung für die IG Metall
Von Susanne Knütter
Die IG Metall hatte vor der Stahltarifrunde darauf verzichtet, eine prozentuale Forderung zu erheben. Unter Anerkennung der Schwierigkeiten der Stahlkonzerne beließ sie es bei dem Wunsch nach einem Angebot von seiten der Unternehmen, das die Inflation ausgleicht und Beschäftigung sichert. Am Freitag bekam sie die Quittung. Die Unternehmen haben in der zweiten Tarifrunde für die nordwestdeutsche Stahlindustrie ein Angebot vorgelegt, das eine Einmalzahlung von 500 Euro vorsieht, außerdem die Verlängerung schon bestehender Tarifverträge und eine Laufzeit von zwölf Monaten. Eine dauerhafte Erhöhung der Entgelte sieht anders aus.
Die IG Metall war enttäuscht. Sie habe »in dieser Tarifrunde mit ihrer Forderung neue Wege beschritten«. Die »ausgestreckte Hand für einen fairen Kompromiss in einer schwierigen Lage« wurde mit dem Angebot aber ausgeschlagen, kritisierte Knut Giesler, Verhandlungsführer und Bezirksleiter der IG Metall NRW: »Damit fallen die Arbeitgeber wieder in alte Muster zurück.« Das Angebot sei für die Sicherung des Reallohns »völlig inakzeptabel«. Falls es am Dienstag zu keinem »deutlich verbesserten Angebot« komme, das auch eine prozentuale Erhöhung enthält, »werden auch wir unsere ausgestreckte Hand zurückziehen«. Dann gibt es ab 1. Oktober Warnstreiks.
Der Arbeitgeberverband Stahl kann die IG Metall nicht verstehen und findet »diese eher dogmatische Reaktion enttäuschend, da sie sachlich nicht überzeugend begründet werden« könne. Dass »Einmalzahlungen laut Gewerkschaftsangaben unpopulär« sind, sei nicht das Versäumnis der Unternehmen, heißt es in einer Presseerklärung vom Freitag. »Offensichtlich ist der Mitgliedschaft der IG Metall nicht hinreichend bewusst geworden, dass die in den letzten Jahren vereinbarten tariflichen Einmalzahlungen, 1.000 Euro und 600 Euro nicht nur jährlich wiederkehrend, sondern auch tarifdynamisch sind.« Echt?, fragt sich da der Laie. Wenn das stimmt, widerspricht das nächste Argument des Kapitalverbands dann nicht dem ersten? Die Gewerkschaft habe, heißt es weiter, »in der Auftaktverhandlung am Dienstag ausdrücklich erklärt, außergewöhnliche Umstände erforderten außergewöhnlich (sic!) Maßnahmen. Eine Einmalzahlung ist eine derartige ›außergewöhnliche Maßnahme‹ und sollte es nach Möglichkeit auch bleiben.«
Nicht ganz von der Hand zu weisen ist das dritte Argument des Unternehmerverbands: »Die Forderung der IG Metall zielt gerade nicht auf eine prozentuale Erhöhung, sondern auf Reallohnsicherung und Kaufkrafterhalt: Das ist mit einer Einmalzahlung genauso gut zu erreichen, insbesondere bei einer kurzen Laufzeit.« Dann müssten die Unternehmen aber noch etwas drauflegen. Das generelle Problem aus Beschäftigtensicht bliebe hingegen bestehen: Es wäre keine dauerhafte Erhöhung. Die Tabellenlöhne würden stagnieren. Und das ist es vermutlich, worauf die Unternehmen hinaus wollen.
»Wir anerkennen unverändert das erklärte Bemühen der Gewerkschaft, zu einer Lösung zu gelangen, die der dramatischen Situation unserer Industrie gerecht wird«, erklärte der Hauptgeschäftsführer des Stahlverbands, Gerhard Erdmann. Ein fairer Interessenausgleich könne indessen nur gelingen, wenn die IG Metall ihren Worten Taten folgen lasse und »unsere konstruktiven Lösungsvorschläge nicht aus rein dogmatischen Überlegungen zurückweist.« Die IG Metall muss sich entscheiden. Die nächste Verhandlungsrunde für die nordwestdeutsche Stahlindustrie wurde für Dienstag anberaumt; die nächste Verhandlung für die ostdeutsche Stahlindustrie findet diesen Montag statt.
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Joachim S. aus Berlin (22. September 2025 um 17:48 Uhr)So ist das eben, wenn man sich von Gewerkschaftsseite darauf einlässt, dass alle miteinander in einem Boot sitzen. Auch wenn erkennbar ist, dass die Rudernden Blut schwitzen und die am Ruder gerade dabei sind, den Kahn auf Grund zu setzen. Hauptsache, die Qual dauert noch ein bisschen länger. Die vom Ruder sind dann jedenfalls schnell vom Acker. Den Ruderern bleiben erfahrungsgemäß schmerzende Schwielen als Erinnerung, warum sie diesen Mist eigentlich mitgemacht haben.
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Heinrich H. aus Stadum (21. September 2025 um 22:25 Uhr)Wiederkehrende Einmalzahlungen? Klar, die kehren immer wieder, in dieser Stufung: 1000, 600, 500, 300, 200, 0. Tarifdynamisch sind sie auf jeden Fall, über das Vorzeichen der Dynamik wird ja nichts ausgesagt. Warum müssen Zahlungen populär sein? Es reicht doch, wenn die Lohnabhängige mehr konsumieren kann. Von mir aus kann eine Lohnerhöhung von 20 Prozent so unpopulär sein, wie sie will.
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