Riad sucht Alternativen
Von Jörg Kronauer
Das kam überraschend: Saudi-Arabien und Pakistan haben am Mittwoch ein bilaterales Sicherheitsabkommen geschlossen, mit dem sie nicht nur den Ausbau ihrer Militärkooperation in die Wege leiten, sondern sich zudem gegenseitig Beistand zusagen. Man werde »die gemeinsame Abschreckung gegen jegliche Aggression stärken«, teilte die saudische Regierung in einer knappen Stellungnahme mit. Künftig werde »jede Aggression gegen einen der beiden Staaten als Aggression gegen beide betrachtet«. Und auch wenn allerlei Details offenblieben, fällt darunter wohl auch der Einsatz nuklearer Mittel. Danach gefragt, erklärte Pakistans Verteidigungsminister Khawaja Asif am Donnerstag: »Was wir haben, unsere Fähigkeiten, werden im Rahmen dieses Pakts auf jeden Fall zur Verfügung stehen.« Hat sich Saudi-Arabien da auf unerwartete Weise einen nuklearen Schutzschirm verschafft?
Nun, der Reihe nach. Dass Saudi-Arabien und Pakistan militärisch zusammenarbeiten, ist wenig bekannt, aber nicht neu. Schon in den 1960er Jahren halfen pakistanische Truppen dem saudischen Königshaus dabei, Unruhen an der Grenze zum Jemen niederzuschlagen. In den 1980er Jahren kooperierten die Geheimdienste der beiden Staaten eng miteinander – und mit den USA –, als sie Seite an Seite in Afghanistan die Mudschaheddin ausbildeten und aufrüsteten. Das war keine unmittelbare militärische Zusammenarbeit, schweißte ihre Sicherheitsapparate aber weiter zusammen. Immer wieder wurden pakistanische Truppen nach Saudi-Arabien entsandt, um dessen Streitkräfte zu trainieren. Aktuell sind damit laut einem Reuters-Bericht zwischen 1.500 und 2.000 pakistanische Soldaten befasst, die die saudischen Land- und Luftstreitkräfte ausbilden und unterstützen.
Das neue Abkommen baut darauf auf und hebt die langjährige militärische Zusammenarbeit auf eine neue Ebene. Es ist, das haben saudische Quellen ausdrücklich bestätigt, über Jahre hin erarbeitet worden, und es ist Teil einer Neuorientierung, die Riad vornahm, als es im Rahmen des von Saudi-Arabien angeführten Krieges gegen die Ansarollah im Jemen nach einem schweren Angriff auf seine Ölanlagen im September 2019 von seinem Bündnispartner USA nicht unterstützt wurde. Kurz darauf nahm der saudische Herrscherclan sein Schicksal in die eigene Hand, arbeitete auf einen Ausgleich mit Iran hin, an dem er bis heute festhält, und nahm schließlich – wann genau, ist unklar – eine Festigung seiner Kooperation mit Pakistan in den Blick, die nun besiegelt wurde.
Dass das Abkommen kurz nach Israels Luftangriff auf Katar unterzeichnet wurde, der erneut gezeigt hat, dass die Golfstaaten sich nicht auf den Schutz der USA verlassen können, ist ein starkes Symbol, aber wohl dem Zufall geschuldet. Riad strebt davon unabhängig weiterhin ein Militärabkommen mit Washington an, von dem es sich eine engere Rüstungs- und Ausbildungskooperation erhofft. Es arbeitet aber eben auch an Alternativen – ein neuer Beleg für den langfristigen Einflussverlust der USA am Persischen Golf. Für Washington unangenehm ist dabei auch, dass Pakistans Militär sehr eng mit China kooperiert und einen Großteil seiner Rüstungsgüter aus der Volksrepublik bezieht.
Und die rund 170 atomaren Sprengköpfe, über die Pakistan verfügt? Der Ex-US-Diplomat Zalmay Khalilzad wies auf X darauf hin, dass die Langstreckenträgerraketen »Shaheen-III« Raketen der pakistanischen Streitkräfte Ziele im gesamten Nahen und Mittleren Osten – inklusive Israel – ohne weiteres erreichen könnten. Doch obwohl Riad, wie weithin angenommen wird, die Entwicklung der pakistanischen Bombe mitfinanziert hat, gehen Beobachter nicht davon aus, dass Islamabad sie wirklich zur Verteidigung Saudi-Arabiens einsetzen würde: Es benötigt sie als Drohpotential in seinem erbitterten Machtkampf mit Indien. Neu-Delhi wiederum ist alles andere als glücklich darüber, dass sein Todfeind in der Lage ist, regionale Militärbündnisse zu schließen und damit Macht auf die Arabische Halbinsel zu projizieren. Indien kooperiert eng mit Saudi-Arabien, weshalb das saudisch-pakistanische Abkommen den Konflikt zwischen Neu-Delhi und Islamabad kaum unmittelbar eskalieren lassen wird. Indien wird sich wahrscheinlich dennoch um Gegenmaßnahmen bemühen.
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